Gericht: Verfassungsgerichtshof
Geschäftszahl: B444/77
Entscheidungsdatum: 17.10.1979
Ob die festgestellte Gewaltanwendung das zur Überwindung des Widerstandes des Bf. notwendige Maß überschritten hat, kann dahingestellt bleiben. Wie der VfGH wiederholt ausgesprochen hat, würde dieser Umstand allein keine Verletzung des durch Europäische Menschenrechtskonvention Art 3, Art. 3 MRK verbürgten Rechtes bedeuten. Gegen das Verbot erniedrigender Behandlung verstoßen derartige physische Zwangsakte vielmehr nur dann, wenn ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist (vgl. Slg. 8145 und 8146/1977 und 8296/1978) . Die nach Vorwarnung versetzten ein oder zwei Schläge auf den Oberarm oder die Schulter und das Festhalten am Stiegengeländer bedeuten jedenfalls unter den festgestellten Umständen noch keine solche Mißachtung.
Gericht: Verfassungsgerichtshof
Geschäftszahl: B25/83
Entscheidungsdatum: 18.06.1984
2. Dem Bf. wurden vom amtshandelnden Gendarmeriebeamten Schläge ins Gesicht versetzt. Mag sich auch der Beamte durch das Verhalten des Bf. - zu Recht oder zu Unrecht - provoziert gefühlt haben, rechtfertigt dies eine solche Mißhandlung nicht. Der VfGH hat wohl im Erk. VfSlg. 8146/1977 ausgesprochen, daß nicht jede (iS des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft notwendig gegen Art3 MRK verstößt. Sie muß vielmehr eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck bringen. Versetzt aber ein Exekutivorgan einer Person Ohrfeigen, wodurch diese Verletzungen wie hier davonträgt, so ist dies für den Betroffenen jedenfalls nicht nur schmerzhaft, sondern auch unmenschlich und nach allgemeinem Empfinden von betont erniedrigender Wirkung. Eine solche Mißhandlung verletzt daher das durch Art3 MRK geschützte Recht (vgl. VfSlg. 8296/1978).
Gericht: Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum: 12.06.1987
Geschäftszahl: B84/85
Sammlungsnummer: 11328
4. Der VfGH sprach schon wiederholt aus (vgl. aus jüngerer Zeit zB VfSlg. 10250/1984 mit weiteren Judikaturhinweisen), daß eine (im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung verstößt, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Auch wenn beim Einschreiten der Exekutive am 19. Dezember 1984 in der Stopfenreuther Au und im besonderen an dem Ort, an dem sich der Bf. damals aufhielt, der Einsatz des Gummiknüppels im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes an sich gerechtfertigt gewesen sein mag (vgl. VfGH 28. 11. 1986 B88/85 und 9. 12. 1986 B152/85), stellten jedenfalls die festgestellten Schläge mit dem Gummiknüppel durch mehrere Beamte auf den liegenden Bf., die Tritte sowie das Würgen am Hals mittels einer Fahne keinesfalls eine maßhaltende Art der Anwendung von Körperkraft dar. Die Vorgangsweise der Beamten war auch keineswegs notwendig, um den Zweck der Amtshandlung (Auflösung der Versammlung) zu erreichen, sondern erfolgte vielmehr offenkundig in Mißhandlungsabsicht (möglicherweise verursacht durch ein provokantes Verhalten des mit einer Fahne an der Spitze einer Gruppe von Demonstranten auftretenden Bf).
Gericht: Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Sammlungsnummer: 11096
Geschäftszahl: B88/85
Entscheidungsdatum: 28.11.1986
Der Einsatz des Gummiknüppels mag bei Massendemonstrationen oder einer großen Anzahl von Versammlungsteilnehmern, die beharrlich Widerstand leisten, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes grundsätzlich durchaus zulässig sein. Bei der Beurteilung des hier festgestellten Sachverhaltes ist allerdings folgendes zu bedenken:
Dem Bf. wurde eine Reihe gezielter Schläge auf den Kopf versetzt. Schultern und Arme des Bf. wurden offenkundig (erst) getroffen, als der - am Boden sitzende oder liegende - Bf. die Arme schützend über seinen Kopf hielt. Selbst wenn diese Schläge unter den damals gegebenen spezifischen Verhältnissen nicht als in Mißhandlungsabsicht erfolgt und nicht als Ausdruck persönlicher Mißachtung (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des VfGH zu Art3 MRK, zB VfSlg. 9385/1982) zu qualifizieren sind, kann hiebei jedenfalls nicht (mehr) von einer maßhaltenden behördlichen Vorgangsweise gesprochen werden, welche zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes notwendig war.
Es kann im gegebenen Zusammenhang unerörtert bleiben, ob Schläge mit dem Gummiknüppel auf den Kopf unter allen Umständen aus dem Blickpunkt des Art3 MRK als eine unverhältnismäßige, nicht maßhaltende Vorgangsweise zu qualifizieren sind, oder ob es auch Situationen geben kann, bei denen eine andere Beurteilung am Platz wäre. Hier jedenfalls ist nicht erkennbar (und es wurde von der Behörde zu dieser Frage auch nichts vorgebracht), aus welchen Gründen der Einsatz körperlicher Gewalt von seiten der Exekutive in der hier festgestellten Form notwendig gewesen sein sollte.
Gericht: Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Sammlungsnummer: 12596
Geschäftszahl: B1605/88; B1606/88; B1611/88; B1612/88; B1613/88; B1614/88; B1616/88; B1617/88; B1623/88; B1625/88; B1626/88; B1627/88; B1628/88; B1629/88; B1630/88; B1631/88; B205/90; B206/90; B207/90; B208/90; B209/90; B210/90; B211/90; B212/90; B213/90; B214/90; B215/90 ua
Entscheidungsdatum: 25.02.1991
2.3.2.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus (vgl. ua. VfSlg. 8146/1977), daß eine (iS des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 EMRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung verstößt, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Das ist hier zufolge der Beschaffenheit und der Begleitumstände der bekämpften Gewaltakte (: sachlich ungerechtfertigte, im WaffengebrauchsG keine Deckung findende Stöße gegen - auf rutschigem Terrain befindliche - Personen, die dadurch (zwangsläufig) in Sturzgefahr geraten müssen) offenkundig der Fall, sodaß die Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen Akten des physischen Polizeizwangs unterworfen wurden, die - als erniedrigende Behandlung - Art3 EMRK zuwiderlaufen (vgl. VfSlg. 8145/1977, 8146/1977, 8580/1979 uam.).
Gericht: Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Sammlungsnummer: 12623
Geschäftszahl: B538/89
Entscheidungsdatum: 26.02.1991
Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958 (EMRK), die gemäß dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. 59/1964 Verfassungsrang hat, bestimmt in ihrem Art3, daß niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.
Aus dem WaffengebrauchsG 1969 ist abzuleiten, daß auch die als weniger gefährliche Maßregel eingestufte Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse, die sich als Mittel zur Überwindung eines auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes und zur Erzwingung einer Festnahme vom Waffengebrauch selbst nur graduell unterscheidet, denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie die Waffenverwendung unterliegt, also zur Erreichung der vom Gesetz vorgesehenen Zwecke nur dann Platz greifen darf, wenn sie notwendig ist und maßhaltend vor sich geht, dann aber, d.h. unter diesen Voraussetzungen, wie der Waffengebrauch an sich nicht gegen Art3 EMRK verstößt.
Selbst wenn der Stoß, der zum Sturz des Beschwerdeführers in die Glasscheibe führte, im Zuge der Bemühungen der Beamten erfolgt ist, den Beschwerdeführer in die Arrestzelle zu bringen, wurde er mit erheblicher Wucht ausgeführt. Daß die Anwendung von Körperkraft in dieser Form schon infolge der Wucht, mit welcher der Stoß offenkundig erfolgt sein muß, nicht maßhaltend im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art3 EMRK (vgl. etwa VfSlg. 9385/1982, 11327/1987) war, bedarf keiner näheren Begründung.
Es ist daher festzustellen, daß der Beschwerdeführer durch den ihm von einem - unbekannt gebliebenen - Sicherheitswachebeamten versetzten heftigen Stoß, wodurch der Beschwerdeführer mit dem Kopf die Scheibe durchstieß, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden ist.
Gericht: Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Sammlungsnummer: 11687
Geschäftszahl: B483/86
Entscheidungsdatum: 10.06.1988
Der VfGH hat in seiner Judikatur bereits mehrfach ausgesprochen, daß das Ziehen an den Haaren (s. VfSlg. 8146/1977) und das Versetzen von Fußtritten (s. VfSlg. 10250/1984, VfSlg. 11230/1987 und 11238/1987) einen Verstoß gegen Art3 MRK darstellen kann. Es ist weder von der bel. Beh. behauptet worden noch hervorgekommen, daß die inkriminierte Vorgangsweise der Beamten aufgrund spezieller Gegebenheiten erforderlich gewesen sein sollte, um den Zweck der Amtshandlung (Auflösung der Versammlung) durchsetzen zu können. Es kann auch keine Rede davon sein, daß das festgestellte Verhalten der Sicherheitswachebeamten - ungeachtet des Umstandes, daß es möglicherweise durch ein provokantes Benehmen des Bf. hervorgerufen wurde - maßhaltend im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH zu Art3 MRK (s. auch dazu die oben zitierte Judikatur) war. Jedenfalls liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß die inkriminierten Handlungen der Sicherheitswachebeamten in einer extremen Ausnahmesituation erfolgt sind, bei der mit Rücksicht auf ein nur so und nicht anders von der Behörde legitimerweise zu erreichendes Ziel der grundsätzlich erniedrigende Charakter dieser behördlichen Vorgangsweise wegfallen oder zumindest in den Hintergrund gedrängt würde (vgl. auch hiezu VfSlg. 11230/1987).
Bei diesem Ergebnis ist es für das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art3 MRK irrelevant, ob der Betroffene dabei auch noch Verletzungen davongetragen hat. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Verletzung des Bf. am linken Fuß auf Tritte von Beamten zurückzuführen ist oder nicht.
Es ist somit auszusprechen, daß der Bf. durch das Reißen an den Haaren und das Versetzen von Fußtritten im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden ist.
Gericht: Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Sammlungsnummer: 12361
Geschäftszahl: B1228/88
Entscheidungsdatum: 12.06.1990
Entsprechend der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 8146/1977, 10.052/1984, 11.230/1987; VfGH 10.6.1988, B483/86) verstößt eine (im Sinne des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Sowohl für Schläge (VfSlg. 10.250/1984, 11.328/1987) als auch für Fußtritte (VfSlg. 10.250/1984, 11.230/1987; VfGH 10.6.1988, B483/86) hat der Gerichtshof angenommen, daß darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck gelangt, die gegen Art3 MRK verstößt. Das gleiche gilt auch für das die Mißhandlung einleitende zu Boden Stoßen des Beschwerdeführers durch eine größere Zahl von Sicherheitswacheorganen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß das festgestellte Verhalten der Sicherheitswachebeamten - ungeachtet des Umstandes, daß es möglicherweise durch ein provokantes Benehmen des Beschwerdeführers hervorgerufen wurde - maßhaltend im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art3 MRK (siehe auch dazu die oben zitierte Judikatur) war. Jedenfalls liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß die Festnahme nicht anders als dadurch ermöglicht wurde, daß der Beschwerdeführer zu Boden geworfen wurde oder dafür, daß der Beschwerdeführer im Zuge der Auseinandersetzung mit den Polizeibeamten zufällig zu Boden stürzte. Die inkriminierten Handlungen der Sicherheitswachebeamten sind sohin nicht in einer Situation erfolgt, bei der mit Rücksicht auf ein nur so und nicht anders von der Behörde legitimerweise zu erreichendes Ziel der grundsätzlich erniedrigende Charakter der behördlichen Vorgangsweise weggefallen oder zumindest in Kauf zu nehmen gewesen wäre.
Es ist daher auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch das zu Boden Stoßen, Schlagen und Treten durch Sicherheitswachebeamte im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden ist.