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(Menschen)Rechtliche Aspekte der Räumung des Murcamps am 3.7.2017

Von Murxredaktion am Di., 01.08.2017 - 12:26
Illegale Räuung des Murcamps Graz: Polizeikette vor der illegalen Absperrung

Unterlage zum Pressefrühstück am 19.7.2017

1. Das Murcamp fällt unter die Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention EMRK (steht im Verfassungsrang!)

(1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.“

  • Weiter Versammlungsbegriff nach EMRK: Jede „organisierte Zusammenkommen mehrerer Menschen zur kollektiven Meinungsbildung oder zur gemeinsamen Kundgabe von Meinungen“ (Pabel/Grabenwarter), sowohl private als auch öffentliche, muss keine politische Zwecksetzung verfolgen. Zweck des Murcamps: Solidarität mit der Umwelt zeigen, Aufklärung über die Zerstörung der Umwelt durch das Murkraftwerk, Ort von damit zusammenhängenden Veranstaltungen.

  • Eine Versammlung ist von begrenzter Dauer, kann aber auch über längere Zeit andauern. Murcamp maximale Dauer bis zur Rodung/Fertigstellung des Kraftwerks oder zur Einstellung der Bauarbeiten.

  • Friedlichkeit: Nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR nicht restriktiv auszulegen, selbst geduldetete Kirchenbesetzungen und Sitzblockaden fallen darunter ebenso Versammlungen auf Privatgrund der für öffentliche Zwecke gewidmet ist (beim Murcamp: Radweg im Besitz der Hausanlage (Grundstück Nr. 2108 KG Jakomini) + öffentlich zugängliches Gewässer). Einzelne Vorfälle machen die Gesamtversammlung nicht „unfriedlich“.

(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.“

  • Nichtanmeldung einer Versammlung an sich noch kein Grund zur Auflösung! (z.B. 14.9.2010 Hyde Park vs. Moldawien Nr. 6991/08)

  • EGMR betont immer wieder Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die Demokratie

  • Alle behördlichen Akte, die Menschen davon abhalten, das Menschenrecht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen (Einschüchterungswirkung!) gelten als Einschränkung der Versammlungsfreiheit! (z.B. 29.11.2007 Balcik u.a. vs. Türkei Nr. 25/02)

Die Räumung von Versammlungen ist in § 39 Absatz 1 SGP explizit ausgeschlossen: „ (1) Kommen mehrere Menschen ohne Duldung des Besitzers auf einem Grundstück oder in einem Raum in gemeinsamer Absicht zusammen, ohne dass diese Ansammlung den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes 1953 unterliegt, so hat die Sicherheitsbehörde mit Verordnung das Verlassen des Grundstückes oder Raumes anzuordnen und zugleich dessen Betreten zu untersagen, wenn ...“

2. Selbst wenn es als „Besetzung“ zu werten wäre war die Auflösung rechtlich nicht gedeckt

...1. die Auflösung der Besetzung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig ist oder

2. die Besetzung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Besitzers darstellt und dieser die Auflösung verlangt.“

„Nach dem Wortlaut kommt es auf die Duldung des Zustandekommens und nicht des Zusammenbleibens an: Wenn das Zustandekommen die Duldung oder gar die Zustimmung des Besitzers fand, scheidet eine Auflösung der Besetzung aus, auch wenn der Besitzer später mit dem Zusammenbleiben nicht mehr einverstanden ist. Diese Auslegung ist jedenfalls für Fälle des § 37 Abs. 1 Z 2 SGP überzeugend.“ ( Andreas Hauer / Rudolf Keplinger: SPG – Sicherheitspolizeigesetz, 4. Auflage, Seite 362).

„Nach den Motiven des Gesetzgebers liegt ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Besitzer dann vor, wenn der Eingriff ‚durch Selbsthilfe nicht mehr abzuwehren‘ ist.“ Eine Aufforderung zum Verlassen des Grundes durch Besitzer hat das Murcamp nie erhalten.

Die Kraftwerkserrichter haben zwar ein Zwangsrecht zur Durchführung der konkreten Bauarbeiten, genau festgelegt, werden aber dadurch nicht zum Besitzer nach § 309 ABGB (Voraussetzung: Willen, die Sache als die ihrige zu behalten). Das Verfahren um die Einräumung der Zwangsrechte ist aber noch nicht abgeschlossen, weil beim Verwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Revision anhängig ist, wobei nicht einmal über den als erstes zu entscheidenden Antrag auf Zuerkennung der „aufschiebenden Wirkung“ der Beschwerde entschieden worden ist.

Räumungen nach § 37 Abs. 1 haben entsprechend der Regelung nach § 36 SGP („Platzverbot“) grundsätzlich eine Wirkung von maximal 6 Stunden wenn nicht rechtzeitig eine neue Verordnung erlassen wird, was im konkreten Fall nie geschehen ist. Die mehrtägige Sperre des rund 250 Meter langen Radweges – schon die Sperre des gesamten Radweges ist fragwürdig! – ist in keiner Weise gerechtfertigt!

Ein „Platzverbot“ ist aber nur dann möglich, wenn „eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum und Umwelt im großen Ausmaß entstehen … wenn zu befürchten ist, es werde infolge einer Versammlung zu Schlägereien oder systematischen Sachbeschädigungen kommen … oder es werde zu (bis hin zu bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerungsgruppen kommen ...“. (Hauer/Keplinger Seite 344).

Die Verordnung ist zudem rechtzeitig bekanntzumachen, außer es besteht ein besonderer Grund zur Eile was im konkreten Fall sicher nicht gegeben war!

Mögliche Rechtsfolgen:

  • Maßnahmenbeschwerde gegen die Auflösung der Versammlung an sich

  • Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei wegen Unterlassung (SGP § 88) des Schutzes der Versammlung und des Eigentums der VersammlungsteilnehmerInnen

  • Amtshaftungsklage

  • Strafanzeige wegen Diebstahls der in Verlust geratenen Gegenstände

  • eventuell Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch und Nötigung

Media Austria ruft alle Opfer repressiver Massnahmen durch die Behörden im Zusammenhang mit der Errichtung des Murkraftwerk Graz Puntigam auf, ihre Fälle zu dokumentieren und uns zu übergeben, damit ein Bericht an amnesty international sowie an den Europarat und an die UNO erstellt werden kann!

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