An die
Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria)
Mariahilfer Straße 77-79
A-1060 Wien
E-Mail: rtr@rtr.at
Beschwerdeführerin: G.
wegen: Verletzung der Verpflichtung
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zur objektiven Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten gemäß § 4 Abs 5 Z 1 ORF-G
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zur Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen gemäß § 4 Abs 5 Z 2 ORF-G
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zum Beitrag zu einer umfassenden Information zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung gemäß § 10 Abs 4 ORF-G
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zur unabhängigen, unparteiischen und objektiven Informationspflicht gemäß § 10 Abs 5 ORF-G
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zur angemessenen Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen § 10 Abs 6 ORF-G bei der Berichterstattung zum Murkraftwerk Puntigam und den damit in Verbindung stehenden Bauten.
Beschwerde
§ 36 Abs 1 Z 1 lit b und § 37 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 5 Z 1 und 2 und § 10 Abs 4-6 ORF-G
I. Sachverhalt und Beweise
Es geht um Berichte zum geplanten Murkraftwerk Puntigam. Die Energie Steiermark trägt mit derzeit 75% den größten Anteil an der Errichtung dieses Kraftwerks. Der Bau des Kraftwerks Puntigam ist umstritten, da für das Projekt trotz der erforderlichen Unterschriften von der Stadt Graz keine Volksbefragung durchgeführt wurde.
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die Umweltverträglichkeitsprüfung zahlreiche negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit bescheinigte. Nur die Argumentation, es handle sich beim Kraftwerksbau um ein übergeordnetes „öffentliches Interesse“, führte zu einem positiven Bescheid.
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für das Gesamtprojekt mehrere tausend Bäume gefällt werden.
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die Fließgeschwindigkeit der Mur massiv reduziert wird.
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durch den Kraftwerksbau Investitionen der bereits stark verschuldeten Stadt Graz notwendig werden, die von den KanalbenützerInnen und SteuerzahlerInnen aufzubringen sein werden. Mögliche Querfinanzierungen zwischen dem Land Steiermark, der Stadt Graz und der Energie Steiermark wurden von Nationalratsabgeordneten Werner Kogler im Nationalrat vorgetragen.
In Graz hat sich daher eine Protestbewegung bestehend aus Bürgerinitiativen und Parteien formiert.
Am 25.3.17 fand in Graz eine Demonstration gegen das Murkraftwerk statt, die durch die 2 Bürgerinitiative „Rettet die Mur“ organisiert wurde. Dem Demonstrationszug schlossen sich an die 3.000 Personen an.
Der ORF-Steiermark hat in der Sendung vom 25.3.17 im Meldungsblock einen 18 Sekunden dauernden Bericht über die Kundgebung von „Rettet die Mur“ gesendet (im Meldungsblock min 1:20 - 1:38). Der Text lautete:
Die Gegner forderten einen sofortigen Baustopp und eine Nachdenkpause über das Proj ekt und das Recht der Grazer auf eine Volksbefragung (1:20 - 1:28). Von den Projektverantwortlichen heißt es: „alle rechtlichen Bescheide für den Kraftwerksbau seien längst positiv ausgefallen und der Bau damit rechtens (1:28 - 1:38).“
Es wurde dabei zu keiner Zeit erklärt, dass sich der Protest gegen das Murkraftwerk Puntigam richtete und es wurde nicht erklärt, warum ein sofortiger Baustopp gefordert wurde. Zuseherinnen und Zuseher bekamen zunächst keine Information, wogegen „die Gegner“ denn demonstrieren würden. Erst in der Stellungnahme der Projektverantwortlichen wurde erwähnt, dass es sich offenbar um einen Kraftwerksbau handle. Dass es sich um das Murkraftwerk Puntigam handelt, blieb den Schlussfolgerungen der Zuseherinnen und Zuseher überlassen.
Der Meldungsblock beinhaltete folgende Berichte über
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einen Verkehrsunfall eines Pensionisten in St. Stefan im Rosental (min 00:00 – 00:25),
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eine tödliche Schießerei in Salzburg (min 00:29 – 00:53),
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die Wahl von Johanna Mikl-Leitner zur Parteiobfrau in Niederösterreich (00:53 – 1:20),
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die Protestkundgebung für einen Baustopp von Murkraftwerk und Zentralem Sammelkanal (1:20 - 1:38) und
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den Geburtstag einer der ältesten Steirerinnen (1:38 - 2:05).
Dem Meldungsblock folgte unter anderem ein Bericht über einen Löwen in Herberstein im Umfang von zwei Minuten.
Eine objektive Auswahl der Informationen ist nicht gegeben, da etwa eine tödliche Schießerei in Salzburg oder die Wahl von Johanna Mikl-Leitner als Parteiobfrau in Niederösterreich deutlich geringere Auswirkungen auf Steirerinnen und Steirer hat, als die Kritik am Bau von zwei umstrittenen Großprojekten in der Landeshauptstadt. Kritische Stellungnahmen kamen im Bericht überhaupt nicht vor, wurde doch ausschließlich über das Stattfinden und die Forderungen, nicht jedoch über die Begründung für den Protest berichtet. Außerdem wurden „das Projekt“ und „der Kraftwerksbau“ zunächst nicht und danach nicht ausreichend genau erklärt. Der Protest richtete sich gegen das Murkraftwerk Puntigam und den zentralen Speicherkanal. Während des Protests wurden die Beweggründe für die Forderungen ausführlich erklärt. Davon findet sich im Bericht des ORF nichts wieder. Weder dieser Bericht, noch die Berichterstattung des ORF-Steiermark insgesamt, lassen eine freie öffentliche Meinungsbildung zu und auch die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wird im ORF-Steiermark nicht abgebildet. Die vom ORF geforderte Objektivität wurde damit durch Weglassen von wesentlichen Informationen in dieser Sendung, die symptomatisch für die Berichterstattung des ORF ist, und in der gesamten Berichterstattung verletzt.
In der Sendung „Steiermark heute“ vom 1.4.17 wurde ein Aprilscherz mit einer Dauer von 3:55 Minuten gesendet, in dem sich die Energie Steiermark, insbesondere deren Pressesprecher, als besonders lustig darstellen konnte. Der Aprilscherz hatte natürlich keinen Informationsgehalt, bot jedoch eine Plattform für Sympathiewerbung durch die Energie Steiermark. Während für das kritischen Hinterfragen des Kraftwerksprojekt und des Zentralen Speicherkanals keine und für den Bericht über einen Protest gegen das Kraftwerk eine Woche davor acht Sekunden verwendet 3 wurden, spendierte der ORF der Projektwerberin des umstrittenen Kraftwerksbaus einen „gute Laune“-Block zum ersten April, der an die vier Minuten dauerte.
In der Sendung Steiermark heute vom 4.4.17 wird dem Projektwerber des Murkraftwerks weiters ein Bericht in der Dauer von 2:39 gewidmet.
II. Da die Auswahl und die Platzierung der Berichte des ORF Steiermark über das Murkraftwerk und die Projektwerberin, Energie Steiermark, § 4 Abs 5 Z 1-2 und § 10 Abs 4-6 ORF-G verletzt, erhebe ich in offener Frist und mit der Unterstützung von 120 RundfunkteilnehmerInnen oder mit solchen in einem Haushalt lebenden Personen, gemäß § 36 Abs 1 Z 1 lit b iVm § 4 Abs 5 Z 1-2 und § 10 Abs 4-6 ORF-G
Beschwerde
an die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH und stelle die
Anträge
a. gemäß § 37 Abs 1 ORF-G festzustellen, dass durch den ausgeführten Sachverhalt Bestimmungen des ORF-G verletzt worden sind und
b. gemäß § 37 Abs 4 ORF-G zu erkennen, dass der Österreichische Rundfunk die Feststellung der Verletzung online auf http://steiermark.orf.at/ und in ORF-Steiermark in „Steiermark heute“ veröffentlicht.
III. Meine Anträge begründe ich wie folgt:
Durch seine Berichterstattung zur Protestkundgebung am 25.3.17 und durch die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegnerinnen und Gegner des Murkraftwerks Puntigam und des Zentralen Speicherkanals ist es für durchschnittliche Konsumentinnen und Konsumenten des ORF nicht möglich, sich ein Bild über die Beweggründe der Protestbewegung zu machen. Eine Korrektur dieses unvollständigen bis verzerrten Bildes ist nur möglich, wenn der ORF-Steiermark in „Steiermark heute“ und auf seiner Internetseite eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Pro- und vor allem den bisher nicht berichteten Kontra-Argumenten ausstrahlt.
Graz, 23.4.17