Text: Karl Wagner
Naturverbundene Hainburger und Marchfelder erkannten bereits Ende der 70er Jahre das Ausmaß der durch ein Kraftwerk Hainburg drohenden Landschaftszerstörung. Mit Unterschriftenaktionen, Informationsveranstaltungen und Vorsprachen bei Politikern versuchten sie gemeinsam mit bekannten Umweltwissenschaftlern einen alternativen Standort für das Kraftwerk durchzusetzen.
Die Minister Günter Heiden (SPÖ) und Kurt Steyrer (SPÖ) unterstützten dieses Anliegen und veranlassten die DokW, mehrere Kraftwerke-Standorte zu prüfen.
Zu diesen ersten Kraftwerksgegnern gehören Frau Silvia Leitgeb, eine Leopoldsdorfer Rauchfangkehrermeisterin - wegen ihrer kämpferischen Natur und ihres großen Einsatzes auch die „Johanna vom Marchfeld“ genannt -, Frau Dr. Frederike Pesaro, eine Orther Ärztin und Robert List, Mitbegründer der Hainburger Bürgerinitiative.
Ohne diese "frühen Kämpfer“ wäre vielleicht alles anders gekommen, denn ihnen ist es gelungen die ansässige Bevölkerung, Wissenschaftler, Umweltschutzvereinigungen und auch Politiker auf den letzten großen Auwald Mitteleuropas aufmerksam zu machen. Und ihrem persönlichen Einsatz ist es auch zu verdanken, daß die Auschützer von den Marchfelder Bauern nicht nur freundlich aufgenommen sondern auch aktiv unterstützt wurden.
Im Herbst 1982 bewilligte der WWF (World Wildlife Fund) - international ein mit 80.000,- Schweizer Franken dotiertes Projekt zur Rettung der Auwälder östlich von Wien. die Projektleitung wurde damals Gerald Navara und mir übertragen. Es folgten erste Gespräche mit der Kronenzeitung, in denen das Interesse von Herausgeber und Redakteuren an einer massiven Kampagne zur Rettung der Donauauen geweckt werden sollte.
Februar 1983 startete dann die WWF-Kampagne "Rettet die Auen" unter folgenden Prämissen:
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Unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde die Donau in den 70er- und 80er Jahren bis auf die Wachau und den Abschnitt östlich von Wien kanalisiert, wobei 80% der vielbesungenen österreichischen Donau hinter Dämmen verschwand.
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Der Durchschnittsösterreicher hatte keine Ahnung, er wußte weder vom Kraftwerksprojekt Hainburg noch von der Schönheit der Auwälder östlich von Wien - sogar die geographische Lage der Stadt Hainburg war weitgehend unbekannt.
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Selbst die Ökologen wußten sehr wenig über die Einzigartigkeit dieser gefährdeten Auwälder. Die Auswirkungen eines Flußkraftwerkes auf das Ökosystem Au waren ebenfalls kaum erfaßt. Dazu kam, daß die lange Auseinandersetzung mit der Kernenergie bei vielen Umweltschützern eine psychologische Sperre gegenüber der Kritik an der Wasserkraft hinterlassen hatte. innerhalb eines halben Jahres untersuchten wir die Sachargumente der Kraftwerksbefürworter und erarbeiteten unsere Argumentation.
Das in Österreich fehlende ökologische Wissen brachten deutsche Naturwissenschaftler, die seit vielen Jahren die Auswirkungen von Laufkraftwerken auf Auwälder wissenschaftlich untersuchen, ein.
Die österreichischen Wissenschaftler erkannten anhand der Ergebnisse der Langzeitversuche, die Dr. Dister und Dr. Hügeln am Oberrhein durchgeführt hatten, daß jede Kraftwerksvariante durch die zwingend stattfindende hydrologische Trennung von Auwald und Fluß mittel- bis langfristig zu einer völligen Veränderung des Ökosystems führen muß.
Dr. Emil Dister, einer der weltbesten Auwaldökologen (damals Universität Saarland, jetzt WWF-Deutschland) opferte über ein Jahr hindurch seine gesamte Freizeit, um in zahlreichen Diskussionsveranstaltungen, Seminaren und Politikervorsprachen sein Wissen über die Unvereinbarkeit von Auwald und Kraftwerk zu vermitteln.
Dabei stellte sich heraus, daß sich alle Ausgleichsmaßnahmen, die in Österreich propagiert werden, in Deutschland als gänzlich unwirksam erwiesen haben.
Die völlige Ablehnung eines Flußkraftwerkes östlich von Wien ist daher nicht als Justamentstandpunkt zu verstehen, sondern als das Ergebnis eines naturwissenschaftlichen Lernprozesses, dem sich Kraftwerksbauer und Politiker bisher verschlossen haben.
Diese Monate sachlicher Recherchen brachten eine Reihe von Konfliktstoffen an den Tag, die von der DoKW und den zuständigen Behörden wohl nicht erkannt bzw. übergangen worden wären, hätten die Umweltschützer nicht mit starker Unterstützung der Zeitungen erfolgreich versucht, sie in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stellen.
Wissenschaftler, Ärzte und Anrainer mußten länger als ein Jahr auf die durch den Aufstau der schlecht geklärten Wr. Abwässer drohenden hygienischen Gefahren hinweisen, bis Minister ein Hygienegutachten in Auftrag gab - mit der wasserrechtlichen Bewilligung wurde aber nicht einmal auf die Fertigstellung dieses Gutachtens gewartet. Eine vom WWF durchgeführte und von der Kronenzeitung finanzierte Untersuchung der Wasserqualität der Donau konnte die von offiziellen Stellen angegebene Güteklasse II in keiner Weise bestätigen. Die Ergebnisse waren so katastrophal, daß Dr.Josef RichardMöse, ein führender Grazer Hygieniker die Donau als Kloake bezeichnete. Die Reaktion der Behörden: Beschwichtigungsversuche anstelle der von den Umweltschützern geforderten gründlichen Untersuchung.
Beispiele dieser Art ließen sich viele aufzählen.
Bereits 1983 hatten sich die Kraftwerksbefürworter (und auch Minister Steyrer) eine „Bewilligungsargumentation“ zurechtgelegt, die fortan monoton wiederholt wurde.
Sie behaupteten, durch die fortschreitende Tendenz der Sohleneintiefııng der Donau wären die Auwälder bereits jetzt am Austrocknen; nur ein Kraftwerk und begleitende Dotierungsmaßnahmen könnten die Auwälder retten.
Eine sehr kostspielige Werbekampagne der E-Wirtschaft arbeitete auf der gleichen Argumentationslinie.
Quintessenz: Die Kraftwerksbauer sind die wahren Umweltschützer.
Es war uns trotz unzähliger Besuche und Gespräche nicht möglich, die Politiker von der Unrichtigkeit ihrer Aussagen abzubringen. Sie waren unzugänglich für die Argumente der Kraftwerksgegner, denn sie hatten ihre Ohren nur nach einer Seite offen.
Wir waren lange Zeit so naiv, eigentlich bis zur Entscheidung von Landesrat Ernest Brezovsky (SPÖ), anzunehmen, daß die Widerlegung der Argumente der Kraftwerksbefürworter und das Aufzeigen der zahlreichen mit dem Bau des Kraftwerkes Hainburg verbundenen negativen Folgewirkunton ausreichen würde, um das Projekt zu Fall zu bringen. Die Politiker behaupten, daß ein Dialog mit den Umweltschützern stattgefunden hat, eine ergiebige Sachdebatte, deren Ergebnisse in die Bewilligung eingeflossen sein sollen. Diese Sachdebatte hat es aber nicht gegeben. Es ging sichtlich nie darum, unter Abwägung sachlicher und rechtlicher Gesichtspunkte die richtige Entscheidung zu fallen, sondern es sollte lediglich für eine vorgegebene Entscheidung (ja zum Kraftwerk Hainburg) die passende Argumentation gefunden werden.
Der Wunsch der Interessensverbände Gewerkschaft, Bauindustrie, Elektroindustrie, Elektrizitätswirtschaft etc., das Kraftwerk Hainburg zu bauen, scheint vorrangig gewesen zu sein, die für den Bau notwendigen Bewilligungen, Bescheide, Gutachten und Bedarfsnachweise weitrangig. Selbst die Existenz des unter Rechtsexperten als hervorragend klar formuliert und hart bekannten NO Naturschutzgesetzes, das in seiner Formulierung den Bau eines Kraftwerkes eindeutig verbietet, hat die Tiefbaufirmen nicht gehindert sich zu einer Arge Greifenstein-Hainburg zusammenzuschließen. Diese Arge erwarb für beide Kraftwerke einen gemeinsamen, ca. 200 Millionen teuren Spezialmaschinenpark, der sich jetzt nicht mehr amortisieren läßt. Eine verfehlte geschäftliche Spekulation? Wohl kaum. Die Firmen dürften sich der positiven Bescheide sicher gewesen sein.
Eine Art innerer Konsens zwischen Kraftwerksbauern und Politikern war dabei sicher auch durch zahlreiche personelle Verflechtungen bedingt, die dazu beigetragen haben könnten, daß die Bewilligungen für das Kraftwerk als selbstverständlich erachtet wurden.
Als Beispiele ließen sich nennen: '
Franz Köck: Nationalratsabgeordneter der SPÖ, Zentralbetriebsratsobmann der DoKW.
Andreas Maurer: Aufsichtsratspräsident der DoKW, Präsident des NÖ Bauernbundes, Vorstandsmitglied der NÖ-ÖVP,
Kurt Heindl: Vorstandsdirektor bei Hofmann und Maculan, Energiesprecher der SPÖ.
Bevor die DoKW die Projektunterlagen beim Land- und Forstwirtschaftsministerium zwecks Erteilung des bevorzugten Wasserbaus einreichte wurden Sachanfragen mit der Begründung „es gibt ja noch kein diskussionsfähiges Projekt“ abgewiesen. Das „diskussionsfähige“ Projekt bestand letztendlich in der Variante, die die DoKW schon immer angestrebt hatte. Für eine Diskussion und eingehende Begutachtung der Projektunterlagen war kaum Zeit vorgesehen, sie wurden in der für die DoKW typischen Art den Politikern im Frühjahr 1983 auf den Tisch geknallt. Winter 83/84 sollten bereits die ersten Vorarbeiten beginnen.
Im Ansuchen um die Bewilligung des bevorzugten Wasserbaus, der nur dann gewahrt werden darf, wenn der beschleunigte Bau von besonderem volkswirtschaftlichem Interesse ist, betonte die antragstellende DoKW u. a. den Bedarf der durch dieses Kraftwerk erzeugten Elektrizität für die österreichische Stromversorgung. lm gleichen Zeitraum trafen sich führende E-Wirtschaftsmanager in Gmunden und berieten auf einem Seminar, dessen Ergebnisse 1 1/2 Jahre später als „Geheimpapier“ von den Medien aufgedeckt werden sollten, wie sich wohl ein gesteigerter Absatz der Überschußware Elektrizität erreichen ließe.
Ende Juli 1983 begann die Kronenzeitung mit ihrer Kampagne, 2 Monate später wurde die „Aktionsgemeinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg“ gegründet, ein Zusammenschluß von 20 Umweltschutzgruppen, Naturschutzvereinen und Bürgerinitiativen; zur selben Zeit stieg die Österreichische Hochschülerschaft massiv in die Auseinandersetzung ein. In vielerlei Hinsicht hatte eine neue Phase begonnen.
Die fast tägliche Berichterstattung der Medien, zahlreiche Straßenaktionen und Informationsveranstaltungen, die enge Zusammenarbeit mehrerer Verbände und Gruppen (OH-Alternativreferat, WWF, Global 2000, Wr. Naturschutzjugend, Friends of the Earth) und Bürgerinitiativen trugen dazu bei, daß weite Kreise der Bevölkerung auf das Kraftwerk Hainburg und den gefährdeten Auwald aufmerksam wurden.
Der Bekanntheitsgrad und das Wissen um die Gefährdung der Donauauen erreichte dadurch vor allem in Ostösterreich eine Dimension, die den Konflikt um das Kraftwerk Hainburg zum Politikum machte.
Die intensive Berichterstattung der Zeitungen über Hainburg verunsicherte die Politiker immer mehr. Da die Wasserrechtsbewilligung und die Erklärung zum bevorzugten Wasserbau eine Angelegenheit des Bundes, die naturschutzrechtliche Bewilligung aber Landeskompetenz ist, konnte jeder Politiker die eigentliche Entscheidung über das Kraftwerk auf die andere Partei abschieben.
Landeshauptmann Siegfried Ludwig (ÖVP) verwies zuerst auf Minister Haiden, später dann auf den Sozialisten Ernest Brezovsky. Er beteuerte immer wieder, daß er keine Unterlagen besäße, daher auch keinen Standpunkt in dieser Frage vertreten könne.
Die Regierungsparteien wiederum schoben die Verantwortung auf LH Ludwig, denn die entscheidende naturschutzrechtliche Bewilligung sei ja Landessache, und im Land Niederösterreich hätten die ÖVP und Landeshauptmann Ludwig das Sagen. Den Kraftwerksgegnern bot sich ein einheitliches Bild: Der jeweilige Gesprächspartner war nie zuständig. im Dezember lagen die WWF-Donauuntersuchungen vor und die Kronenzeitung begann, Minister Haiden fast täglich hart zu attakieren - die Bevorzugungserklärung stand knapp bevor, und die galt es zu verhindern.
Trotz der direkt auf Minister Haiden gezielten Kampagne erteilte dieser am 22.12.1983 die Bevorzugungserklärung - ein Weihnachtsgeschenk für die DoKW.
(Die Bevorzugungserklärung wird vom WWF in einer Verfassungs- und in einer Verwaltungsgerichtshofklage angefochten.)
Die „Aktionsgemeinschaft gegen das Kraftwerk Hainburg“ traf sich seit September 1983 einmal wöchentlich im Café Votiv. Zu diesem Plenum kamen die meisten aktiven Kraftwerksgegner und bestimmten Vorgangsweise, Argumentationslinie, verteilten Aufgaben, Termine und Informationen.
In den Wochen vor den wichtigen Entscheidungen stieg die nervliche Anspannung und es traten depressive Stimmungen innerhalb der Gruppe auf, denen manche mit enormem Arbeitseinsatz, andere mit Fatalismus begegneten.
Zeitweise war das Gefühl, gegen eine Gummiwand zu rennen, fast übermächtig, und viele verließ gelegentlich der Glaube, dieses Kraftwerk verhindern zu können. Stand doch auf der Seite der Kraftwerksbefürworter die offizielle Macht Österreichs: die Regierung, fast alle Oppositionspolitiker, die Gewerkschaft, die Industriellenvereinigung, der ÖGB, die Bauwirtschaft, die E-Wirtschaft.
Auf unserer Seite hingegen standen einige Zeitungen, die Umweltverbände, Wissenschaftler und Künstler und ein immer größer werdender Teil der österreichischen Bevölkerung.
Nach der Bevorzugungserklärung und während der ersten Instanz des Naturschutzverfahrens setzte eine zweite Welle der"Berichterstattung über das Kraftwerk Hainburg ein. In dieser Zeit entstand innerhalb der Aktionsgemeinschaft der Plan, statt eines Konsortiums von Verbänden einen Zusammenschluß von Einzelpersonen anzustreben, denn viele Träger des öffentlichen Lebens waren bereit, gegen das Kraftwerk Hainburg aufzutreten (unter ihnen Günther Nenning, Othmar Karas, Arik Brauer, Friedensreich Hundertwasser etc.).
Praktisch über Nacht entstand dann das Konrad-Lorenz Volksbegehren, das diese Idee mit seinem überparteilichen Personen-Komitee übernahm, und sich zu einer wesentlichen Bereicherung der Auwald-Bewegung entwickelte.
Der negative Naturschutzbescheid der Bezirkshauptmannschaften stürzte die für die Bettung des Auwaldes engagierten Umweltschützer in den trügerischen Glauben an einen schnellen Sieg. Aber praktisch alle, die Landesrat Brezovsky kannten, warnten vor jeglicher Euphorie. Nur wenig später verkündete der Landesrat in einer denkwürdigen Sitzung des NÖ Landtages, daß er allein die Verantwortung für die Entscheidung auf sich nehmen würde. (Diese Erklärung wurde von allen Parteien mit großer Erleichterung aufgenommen).
Trotzdem glaubten viele Naturschützer, die ja mittlerweile mit der Gesetzeslage und den Grundzügen der Auwaldökologie vertraut waren, daß Brezovsky - selbst bei „gutem Willen“ - die naturschutzrechtliche Bewilligung nicht erteilen könnte.
Am 26. November 1984 erließ dann Landesrat Brezovsky einen der skandalösesten Bescheide der 2. Republik, der von bekannten Rechtsgelehrten und Politikern als rechtswidrig bezeichnet wird, und dessen sachliche Begründung von jedem österreichischen Ökologen sofort widerlegt werden könnte.
Menschen, die Recht mit Wahrheit und Gerechtigkeit verbinden, können nicht verstehen, wie ein Bescheid rechtswidrig und zugleich rechtsgültig sein kann. Fast alle Politiker haben Brezovsky's Bescheid gedeckt und mit dieser Haltung Gräben aufgerissen, die sich als sehr tief erweisen könnten.
Bei der Pressekonferenz vom 26. November erklärte Brezovsky, nur eines von 12 Gutachten sei gegen den Bau gewesen, bereits in den nächsten Tagen stieg die Zahl der negativen Gutachten auf 3 an. Hat der Landesrat bei seiner Pressekonferenz die Unwahrheit gesagt, oder hat er sich in der Eile verzählt? In Wahrheit stammen von den 12 Gutachten nur 7 aus dem eigentlichen Naturschutzverfahren. Von diesen 7 sind 4 negativ, das 5. stammt von Otto König, das 6. ist ein elektrizitätswissenschaftliches Gutachten und das 7. nimmt in der Frage Kraftwerk ja oder nein keinen Standpunkt ein.
Von den 5 Wasserrechtsgutachten, die großzügig dazu gerechnet wurden ist eines eindeutig negativ von Prof. Steiner, 2 weitere behandeln spezifische Fragen des Wasserrechts, und haben mit Naturschutz nichts zu tun (Heilquellen, Geologie), das 4. Gutachten behandelt die Sohleneintiefung und das 5. Gutachten stammt von einem gelegentlich für die DOKW arbeitenden Forstmann.
Am 6. Dezember erteilte Minister Haiden die wasserrechtliche Bewilligung für das Kraftwerk Hainburg. Noch am Tag zuvor hatten offizielle Vertreter dieses Ministeriums bei einer Tagung des Europarates in Straßburg den Eindruck vermittelt, daß in der Sache Hainburg noch nichts entschieden sei. Viele Abgeordnete fühlten sich von der österreichischen Delegation getäuscht, als sie erfuhren, daß kaum 2 Stunden später die endgültige Bewilligung für das Kraftwerk ergangen war.
(Der WWF hat in mehreren Klagen an die Höchstgerichte die Parteienstellung im Verfahren angestrebt und den Bescheid selbst angefochten, das KLVB hat eine Anzeige wegen Amtsmißbrauch bei der Staatsanwaltschaft hinterlegt.)
Viele Menschen waren fassungslos über die Unverfrorenheit, mit der das Kraftwerk Hainburg durch die Verfahren geboxt wurde – unter Mißachtung der Ökologie, der Gutachten, der Gesetze und der öffentlichen Meinung.
Für viele stand Österreich während dieser Monate an der Schwelle zu einem Staat mit totalitärem Verhalten.
Das Verhalten der Entscheidungsträger führte zur vielleicht gefährlichsten Auseinandersetzung in der 2. Republik, die damit endete, daß die Regierung dem Druck des Volkes nachgeben und die Vorbereitungen für den Bau eines bewilligten Kraftwerkes abbrechen mußte. Sie hatte keine andere Wahl, denn die Schlacht der Bäume drohte in einen Klassenkampf der Straße auszuarten.
Es liegt nun an der Regierung, der Sozialpartnerschaft und anderen Interessensgruppen, zu erkennen, daß Großprojekte einem öffentlichen Diskussionsprozeß unterworfen sein müssen, der freilich auch zur Ablehnung des Projektes führen kann.
Hainburg muß zum Beginn einer neuen Ära werden, in der Bewilligungsverfahren mit obligatorischer Parteistellung, umfassender Umweltverträglichkeitsprüfung und transparenter Auswahl der Gutachter selbstverständlich sind. Die „erschlichenen“ Bewilligungen für die umstrittene bzw. eine leicht abgeänderte Kraftwerksvariante weiterhin zu benützen, würde bedeuten, daß die Entscheidungsträger dieses Landes nichts aus dem Konflikt um das Kraftwerk Hainburg gelernt haben. Eine weitere Verschärfung einer Auseinandersetzung, die schon lange vor Zwentendorf begonnen und im Auwald ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, wäre die Folge.
Aus: Die Schlacht der Bäume