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Berufungsurteil: Freispreich wegen angeblicher schwerer Störung einer FPÖ-Wahlveranstaltung in Gleisdorf durch Clownarmy, Pfiffe und Kuhglockgeläute bestätigt!

Von Murxadmin am Sa., 04.09.2021 - 14:11
Datum des Briefes

REPUBLIK ÖSTERREICH
LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN GRAZ

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesgericht für Strafsachen Graz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag.a Caroline List (Vorsitz), HR Dr. Harald Friedrich (BE) und Mag. Gerhard Leitgeb in der Strafsache gegen 1. Mag.a M P, 2. C L, 3. T W und 4. L S wegen des Vergehens der Verhinderung oder Störung einer Versammlung nach § 285 Z 2 zweiter Fall StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Weiz vom 2. Oktober 2020, 10 U 53/20i-39, nach der in Anwesenheit der VP Carina Hermann als Schriftführerin, des Staatsanwaltes Dr. Christian Kroschl, und der Angeklagten Mag.a M P und C L und deren Verteidigerin Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, und der Angeklagten T W und L S und deren Verteidigerin Mag.a Stefanie Obmann BA, Anwärterin Dris. Florian Leitinger, LL.M., Rechtsanwalt in 8160 Weiz, am 26. Juli 2021 durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil des Bezirksgerichtes Weiz vom 2. Oktober 2020, 10 U 53/20i-39, wurden Mag.a M P, C L, T W und L S von der wider sie mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 17. April 2020, 88 BAZ 12/20s (ON 12), erhobenen Anklage, es hätten am 15. November 2019 in Gleisdorf die nachgenannten Personen eine nicht verbotene Versammlung, nämlich die behördlich von der Bezirkshauptmannschaft Weiz genehmigte Wahlveranstaltung der Freiheitlichen Partei Österreichs zur am 24. November 2019 stattfindenden Wahl des Landtages Steiermark, dadurch erheblich gestört, dass sie den zur Teilnahme berechtigten Personen, nämlich den sich vor der für die Redner aufgebauten Tribüne aufhaltenden Zusehern, die Teilnahme an der Versammlung durch schwere Belästigungen unmöglich gemacht oder zumindest erschwert hätten, und zwar

I.) Mag.a M P dadurch, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit fünf weiteren, wie sie selbst als Clown verkleideten und unbekannt gebliebenen Personen während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden einige Minuten hindurch in Kettenformation und lautstark Parolen wie „Sicherheit“, „Fantomas“ und „Kommando zurück“ rufend durch die Zuschauerreihen marschiert sei und dabei Zuhörer zur Seite gedrängt hätte, die Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätte,

II.) C L dadurch, dass er während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden laut und lang anhaltend gepfiffen hätte, die in seiner unmittelbaren Umgebung stehenden Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätte, und

III.) T W und L S dadurch, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden schreiend und mit den von ihnen mitgeführten Kuhglocken läutend durch die Zuschauerreihen gehüpft seien, die in ihrer unmittelbaren Umgebung stehenden Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätten, bis sie von einem der Zuschauer abgedrängt worden seien, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Zu den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, den beweiswürdigenden Erwägungen und zur rechtlichen Beurteilung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsseiten drei bis 18 verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete und ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (§ 281 Absatz 1 Z 5 und 9a iVm § 468 Absatz 1 Z 3 und 4 StPO) sowie wegen des Ausspruches über die Schuld. Die Angeklagten erstatteten Gegenausführungen.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld prävaliert gegenüber der Rechtsrüge gemäß § 281 Absatz 1 Z 9 lit a StPO, geht aber einer Mängelrüge gemäß § 281 Absatz 1 Z 5 StPO nach, weswegen die Berufungspunkte im Folgenden dieser Systematik entsprechend behandelt werden (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).

Gegenstand der Mängelrüge der Z 5 des § 281 Absatz 1 StPO ist die Einhaltung der Grenzen, welche § 258 Absatz 2 StPO der freien Beweiswürdigung des Gerichtes setzt, einschließlich des Missbrauches der Beweiswürdigungsfreiheit im Sinne des Willkürverbotes. Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn – aus objektiver Sicht – den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven wie auf Versammlung durch schwere Belästigungen unmöglich gemacht oder zumindest erschwert hätten, und zwar

I.) Mag.a M P dadurch, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit fünf weiteren, wie sie selbst als Clown verkleideten und unbekannt gebliebenen Personen während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden einige Minuten hindurch in Kettenformation und lautstark Parolen wie „Sicherheit“, „Fantomas“ und „Kommando zurück“ rufend durch die Zuschauerreihen marschiert sei und dabei Zuhörer zur Seite gedrängt hätte, die Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätte,

II.) C L dadurch, dass er während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden laut und lang anhaltend gepfiffen hätte, die in seiner unmittelbaren Umgebung stehenden Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätte, und

III.) T W und L S dadurch, dass sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken während der von den auf der Tribüne anwesenden FPÖ-Politikern gehaltenen Reden schreiend und mit den von ihnen mitgeführten Kuhglocken läutend durch die Zuschauerreihen gehüpft seien, die in ihrer unmittelbaren Umgebung stehenden Besucher der Veranstaltung am Mithören der Reden gehindert hätten, bis sie von einem der Zuschauer abgedrängt worden seien, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Zu den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, den beweiswürdigenden Erwägungen und zur rechtlichen Beurteilung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsseiten drei bis 18 verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete und ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (§ 281 Absatz 1 Z 5 und 9a iVm § 468 Absatz 1 Z 3 und 4 StPO) sowie wegen des Ausspruches über die Schuld. Die Angeklagten erstatteten Gegenausführungen.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld prävaliert gegenüber der Rechtsrüge gemäß § 281 Absatz 1 Z 9 lit a StPO, geht aber einer Mängelrüge gemäß § 281 Absatz 1 Z 5 StPO nach, weswegen die Berufungspunkte im Folgenden dieser Systematik entsprechend behandelt werden (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).

Gegenstand der Mängelrüge der Z 5 des § 281 Absatz 1 StPO ist die Einhaltung der Grenzen, welche § 258 Absatz 2 StPO der freien Beweiswürdigung des Gerichtes setzt, einschließlich des Missbrauches der Beweiswürdigungsfreiheit im Sinne des Willkürverbotes. Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn – aus objektiver Sicht – den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven wie auf der subjektiven Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hat oder aus welchen Gründen dies geschah. Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt vor, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse (§ 258 Absatz 1 StPO) nicht würdigt, zB erhebliche Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet. Der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen ist mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall), wenn er entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht. Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt vor, wenn das Gericht für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache in der Beweiswürdigung überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben hat, aus denen sich nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Schließlich ist das Urteil aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), wenn es in der Beweiswürdigung den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt

einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 46ff).

Die Mängelrüge in diesem Sinne richtet sich nur gegen formelle Begründungsmängel des Ausspruches über entscheidende Tatsachen; das sind nur jene Tatsachen, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf die Straffrage Einfluss haben. Ob Tatsachen in diesem Sinne entscheidend sind, ist nur auf Grundlage des angefochtenen Urteils zu prüfen. Von diesen entscheidenden Tatsachen zu unterscheiden sind die bloß erheblichen Tatsachen, die im Rahmen der Beweiswürdigung erörterungsbedürftig sind. Die Bejahung einzelner als erheblich beurteilter Umstände, soweit diese keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache darstellen, ist jedenfalls nicht Gegenstand der Mängelrüge. Für den konkreten Schuldspruch nicht erforderliche, sohin überschießende Urteilsfeststellungen berühren die Schuldfrage nicht und sind daher nicht mit Mängelrüge anfechtbar. Ebenso wenig kommt eine Mängelrüge hinsichtlich nicht getroffener Feststellungen entscheidender Tatsachen in Betracht. Diese sind mit Rechts- (§ 281 Absatz 1 Z 9) oder Subsumtionsrüge (§ 281 Absatz 1 Z 10) zu relevieren. Die gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge erfordert die Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe; die isolierte Hervorhebung einzelner Verfahrensergebnisse ist nicht zielführend (Weratschnig in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 2 § 281 Absatz 1 Z 5 StPO Rz 5; Ratz in WK StPO § 281 Rz 420; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 46).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Mängelrüge. Weitestgehend setzt sie den in vernetzter Betrachtung sämtlicher Beweismittel, insbesondere ausgehend von den jeweils angeführten Videoaufnahmen vom Erstgericht getroffenen Feststellungen eigene beweiswürdigende Erwägungen entgegen und begehrt hievon ausgehend unter dem Titel „Ersatzfeststellungen“ ergänzende Feststellungen und eine rechtliche Würdigung der inkriminierten Verhaltensweisen als schwere Belästigung und die damit verbundene Störung der Versammlung als erheblich. Weder fehlende Feststellungen noch die rechtliche Beurteilung eines Verhaltens können aber mit der Mängelrüge nach § 281 Absatz 1 Z 5 StPO geltend gemacht werden. Ebenso wenig begründen die Ausführungen, wonach aufgrund der Videoaufzeichnung „C0357-Clownauftritt.mp4“ festgestellt hätte werden müssen, dass der Angeklagten M P und ihren Mitaktivisten die Fortsetzung ihres erheblich störenden Verhaltens erst durch das als Gegenwehr aufzufassende Zusammenstehen der Verhandlungsteilnehmer nicht mehr möglich gewesen sei, die behauptete Unvollständigkeit im Sinne des zweiten Falles der Z 5 des § 281 Absatz 1 StPO. Dieser Fall betrifft allein die Begründungsebene und nicht wie moniert fehlende Feststellungen (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 393). Im Übrigen lässt sich aus dem angeführten Video eine derartige Gegenwehr nicht erkennen, sondern spricht der etwa zwei Minuten nach dem Auftritt der Clowns erfolgte Ruf „Kommando zurück“ eher für eine freiwillige Beendigung des Auftrittes.

Soweit die Berufungswerberin moniert, dass die Negativfeststellung des Erstgerichtes, wonach ein Pfeifen des Angeklagten C L über einen Zeitraum von 92 Sekunden hinaus nicht nachgewiesen werden könne, nicht nachvollziehbar sei, da die Aufzeichnungen nur kurze Ausschnitte von zeitlich auseinanderliegenden jeweils mehr als zehn Minuten dauernden Reden von Mario Kunasek und Herbert Kickl zeigen würden, und überdies jeglicher Lebenserfahrung widersprechen würde, wird erkennbar keine oder eine offenbar unzureichende Begründung im Sinne des vierten Falles des § 281 Absatz 1 Z 5 StPO geltend gemacht. Unabhängig davon, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, dass jemand nicht nach 92 Sekunden sein Pfeifen einstellt, hat sich das Erstgericht mit diesem Umstand auch umfassend auseinandergesetzt. So stützte es seine Feststellungen zur Dauer des Pfeifens des Angeklagten C L nicht nur auf die beiden darüber bestehenden Videodokumentationen (Pfeifen FPÖ-Wahlveranstaltung Gleisdorf_15_11_2019_UTA.wmv und C0364_Pfeifen.mp4) sondern auch auf die bezughabenden Angaben der Zeugen GI K W und des J K, welche diese Aufzeichnungen vornahmen. Beide lieferten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte C L über den gefilmten Zeitraum hinaus gepfiffen hätte. In diesem Sinne führte der Zeuge GI K W in der Hauptverhandlung vom 2. Oktober 2020 (ON 38/AS 39) aus, dass er länger gefilmt hätte, wenn länger gepfiffen worden wäre. Ebenso schätzte in Übereinstimmung mit den erstgerichtlichen Feststellungen der Zeuge Sachbearbeiter mit der Dienstnummer 22 des LVT Steiermark in der genannten Hauptverhandlung (ON 38/AS 56) das Pfeifen des Angeklagten C L mit fünf bis sechs jeweils zehn Sekunden dauernden Episoden ein. Das Erstgericht setzte sich aber auch mit den Aussagen des Zeugen F L auseinander, welcher in der Hauptverhandlung vom 2. Oktober 2020 (ON 38/AS 44) von einem mehr als eine halbe Stunde dauernden Pfeifen sprach, welches er jedoch einer ganzen Gruppe und nicht ausschließlich dem Angeklagten C L zuordnete. Mit Blick auf die eingangs dargestellten Beweisergebnisse, aber auch auf das ambivalente Verhalten dieses Zeugen begründete das Erstgericht dessen Unglaubwürdigkeit.

In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf zu verweisen, dass dieser Zeuge stets ein Pfeifen des Angeklagten C L unter Zuhilfenahme einer Trillerpfeife behauptete, während sich aus den übrigen Beweisergebnissen, insbesondere den Videoaufnahmen ergibt, dass dieser ohne Hilfsmittel pfiff. Soweit die Berufungswerberin trotzdem an der Glaubwürdigkeit des Zeugen F L festhalten will, bleibt sie schuldig, Beweisergebnisse anzuführen, mit denen sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt hätte. Nur unter diesem Aspekt der Unvollständigkeit (§ 281 Absatz 1 Z 5 zweiter Fall StPO) könnte aber die Überzeugung des Tatrichters von der Glaubwürdigkeit eines Zeugens bekämpft werden (Weratschnig in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 2 § 281 Absatz 1 Z 5 Rz 7). Zusammenfassend vermag somit die Berufungswerberin formelle Begründungsmängel im Sinne des § 281 Absatz 1 Z 5 StPO nicht aufzuzeigen, weshalb die Mängelrüge erfolglos bleibt.

Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld kommt kein Erfolg zu.

Gegen die vom Erstgericht festgestellten schulderheblichen Tatsachen und die dazu angestellten, an allgemeinen Erfahrungssätzen und an den Denkgesetzen der Logik orientierten umfassenden, sämtliche relevanten Beweismittel ausschöpfenden beweiswürdigenden Erwägungen bestehen jeweils keine Bedenken.

Insbesondere konnten aufgrund der unbedenklichen jeweils angeführten Videoaufzeichnungen das jeweilige Verhalten der Angeklagten im Zuge der Wahlveranstaltung der Freiheitlichen Partei Österreichs in Gleisdorf vom 15. November 2019 ohne jeden Zweifel festgestellt werden. Dass von den Angeklagten darüber hinausgehende Störungshandlungen nicht gesetzt wurden, ergibt sich einerseits aus dem Abgleich der von J K im Auftrag der FPÖ und von GI K W für die Sicherheitsbehörde vorgenommenen Videoaufnahmen sowie deren Aussagen, wonach sie mit den visuellen Aufzeichnungen nach Bemerken der Störungen begonnen und diese im Wesentlichen festgehalten hätten. Soweit lediglich der Zeuge F L von einem mehr als eine halbe Stunde dauernden Pfeifen sprach (ON 38/AS 44), bezieht sich dies nach dessen Angaben nicht ausschließlich auf den Angeklagten C L, sondern auf eine dort befindlichen Gruppe. Daraus und mit Blick auf die gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugens vom Erstgericht nachvollziehbar angeführten Erwägungen lassen sich über die getroffenen Feststellungen hinausgehende Störungshandlungen des Angeklagten C L nicht begründen. Ebenso wenig ergibt sich aus den Videoaufzeichnungen, dass die Angeklagten durch unwiderstehliche Gegenwehr an der Fortsetzung ihrer Verhaltensweisen gehindert worden wären. Zutreffend ist zwar, dass die Angeklagten von Versammlungsteilnehmern auf ihr Verhalten angesprochen, teilweise mit Gegenständen beworfen und letztlich auch körperlich erfasst wurden, jedoch indiziert dies nicht zwingend, dass sie ihr Verhalten auf längere Dauer eingerichtet haben, sondern spricht im Gegenteil ihr sofortiger Rückzug dafür, es lediglich auf eine kurzfristige Aktion angelegt zu haben. Die Videoaufzeichnungen zeigen aber auch eindrücklich, dass trotz der Verhaltensweisen der Angeklagten die Reden im Zuge der Wahlveranstaltung durchgehend verständlich waren, die Redner auf diese Verhaltensweisen argumentativ und nicht mit Blick auf eine wesentliche Störung ihrer Veranstaltung eingingen und der Verlauf der Wahlveranstaltung ungehindert fortlief.

Ebenso wenig ergeben sich aber auch für das Berufungsgericht Zweifel an den Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Das Verhalten der Erstangeklagten Mag.a M P, welche in etwa zwei Minuten gemeinsam mit weiteren Clowns durch die Teilnehmer der Wahlveranstaltung marschierte und hiebei mit Unterbrechungen „Sicherheit“ und „Fantomas“ rief und johlte, des Zweitangeklagten C L, der über fünf Sekunden „Buh“ rief und in vier Zyklen zusammengefasst 92 Sekunden pfiff, und der Angeklagten T W und L S, welche sich über einen Zeitraum von etwa einer Minute und fünf Sekunden vom hinteren Bereich der Versammlung in Richtung Bühne bewegten und dabei laut johlten und mit mitgebrachten faustgroßen Kuhglocken läuteten, indizieren, dass sie eine Störung der Versammlung und eine Erschwerung der Teilnahme an der Versammlung über diesen Zeitraum ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden.

Soweit letztlich die Berufungswerberin auf die Angaben der Angeklagten T W und L S vor dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (ON 2/AS 67ff bzw. AS 81ff) verweist, ist zwar zutreffend, dass sich diese Angeklagten hiebei nicht nur tatsachengeständig verantworteten, sondern auch den Rechtsbegriff einer erheblichen Störung zugestanden, im Rahmen der Hauptverhandlung (ON 29/AS 16 bzw. 18) eine erhebliche Störung der Veranstaltung jedoch in Abrede stellten. Diese Angaben vor der Sicherheitsbehörde, in der die genannten Angeklagten aber auch festhielten, dass sie lediglich ihre Empörung gegenüber den Rednern dieser Versammlung zum Ausdruck bringen hätten wollen, entbindet das Gericht nicht von der Erforschung der materiellen Wahrheit.

Im Rahmen der Rechtsrüge gemäß § 281 Absatz 1 Z 9 lit a StPO begehrt die Berufungswerberin unter Verweis auf nicht näher bezeichnete Beweisergebnisse die Feststellung, dass es die Angeklagten Mag.a M P, C L, T W und L S am 15. November 2019 in Gleisdorf ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, „die Wahlveranstaltung der Freiheitlichen Partei Österreichs zu der am 24. November 2019 stattfindenden Wahl des Steiermärkischen Landtages, mithin eine nicht verbotene Versammlung, dadurch erheblich zu stören, dass durch das jeweils zu diesen Angeklagten dargestellte Verhalten den zur Teilnahme berechtigten, sich in ihrer jeweiligen unmittelbaren Nähe aufhaltenden Personen (zu ergänzen: die Teilnahme an der Versammlung) durch schwere Belästigung unmöglich gemacht oder zumindest erschwert hätten“. Feststellungen in diese Richtung sind jedoch aufgrund der diesbezüglich leugnenden Verantwortung der Angeklagten und den nach den Ausführungen zur Schuldberufung unbedenklich festgestellten Störungshandlungen nicht indiziert. Dauer und Umfang dieser Handlungen indizieren weder, dass die Angeklagten eine erhebliche Störung der Versammlung noch eine schwere Belästigung der zur Teilnahme berechtigten Personen ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden.

Schließlich macht die Berufungswerberin im Rahmen der Rechtsrüge geltend, dass das Erstgericht die Tat irrig für straflos erklärt habe. Der Behandlung der – auf Basis der unbedenklichen Feststellungen zu prüfenden - Rechtsrüge voranzustellen ist, dass diese nur dann prozessordnungsgemäß ausgeführt wird, wenn sie am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt festhält. Dieser ist auf das anzuwendende Gesetz zu untersuchen und daran die Behauptung zu knüpfen, dass dem Erstgericht ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Maßgeblich ist dabei die Gesamtheit der im Urteil konstatierten Tatsachen. Rechtsrügen, die einzelne Feststellungen isoliert herausgreifen, sind ebenso unzulässig wie solche, die den Urteilssachverhalt bezweifeln, ergänzen oder überhaupt ignorieren (RIS-Justiz RS0099810, RS0117247 [T2], RS0099025).

Tatbestandsmäßig im Sinne des § 285 Z 2 StGB handelt, wer eine nicht verbotene Versammlung unter anderem dadurch verhindert oder erheblich stört, dass er einer zur Teilnahme berechtigten Person die Teilnahme an der Veranstaltung durch schwere Belästigungen unmöglich macht oder erschwert. Im Sinne der zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Erstgerichtes, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, liegt eine schwere Belästigung vor, wenn wiederholt und dauernd Lärm erzeugt wird, indem Sirenen betätigt, Sprechchöre gebildet oder Lautsprecheranlagen eingeschaltet werden, oder wenn Feuerwerkskörper abgebrannt oder Stinkbomben geworfen werden udgl. Auch das fortgesetzte Beschimpfen oder Verhöhnen von Versammlungsteilnehmern oder deren Verdrängung kann schwere Belästigung sein. Diesem Merkmal entsprechen jedoch nicht bloße Zwischenrufe, ein wenngleich lautstark vorgebrachter Protest gegen die Ausführungen eines Redners oder gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Verletzungen der Tagesordnung oder eine das übliche Maß nicht übersteigende Missfallenskundgebung. Erheblich gestört ist die Versammlung, wenn ihr ordnungsgemäßer Ablauf über das nach den Spielregeln der öffentlichen Diskussion in der demokratischen Gesellschaft allgemein tolerierte Maß hinaus beeinträchtigt wird. Störungen, die nach diesen Spielregeln „zum gewohnten Bild bestimmter Versammlungen gehören und von den Teilnehmern an solchen Versammlungen daher auch nicht als Störung der Versammlungsfreiheit empfunden werden“ (z.B. kontroversieller Meinungsaustausch) sind demnach nicht strafbar (Plöchl in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 285 Rz 7 und 12).

Nach den dargestellten Kriterien vermögen die festgestellten Verhaltensweisen der

Erstangeklagten Mag.a M P, welche über einen Zeitraum von knapp zwei Minuten gemeinsam mit weiteren Clowns durch die Reihen anderer Versammlungsteilnehmer maschierte und hiebei kumuliert über eine Minute und 31 Sekunden die Worte „Sicherheit“ und „Fantomas“ rief bzw. johlte, des Zweitangeklagten C L, welcher fünf Sekunden „Buh“ rief und in vier Zyklen über kumuliert 92 Sekunden pfiff, und des Dritt- und der Viertangeklagten T W und L S, welche sich über einen Zeitraum von etwa einer Minute und fünf Sekunden vom hinteren Bereich der Versammlung in Richtung Bühne bewegten und dabei laut johlten und mit mitgebrachten faustgroßen Kuhglocken läuteten, die Qualifikation einer erheblichen Störung, die eine schwere Belästigung anderer

Versammlungsteilnehmer mit sich bringt, nicht zu erreichen. Bereits mangels Vorliegens des objektiven Tatbestands des Vergehens der Verhinderung oder Störung einer Versammlung nach § 285 StGB ging daher das Erstgericht zutreffend mit einem Freispruch der Angeklagten gemäß § 259 Z 3 StPO vor. Soweit die Berufungswerberin eine Strafbarkeit wegen des Versuchs des Vergehens der Verhinderung oder Störung einer Versammlung aus dem Umstand begründen will, dass die Angeklagten ihr auf einen wesentlich längeren Zeitraum angelegtes erheblich störendes Verhalten durch Gegenwehr der sich in ihrer Nähe aufhaltenden Verhandlungsteilnehmer abbrechen mussten oder dieses Verhalten nicht fortsetzen konnten, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen und bringt die Rechtsrüge nicht zu gesetzmäßigen Ausführung. Im Übrigen stehen dem auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite entgegen, wonach vom bedingten Vorsatz der Angeklagten gerade keine schwere Belästigung und erhebliche Störung der Versammlung umfasst war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, da die Kosten des Rechtsmittelverfahrens durch das ganz erfolglos gebliebene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursacht worden sind, eine Kostenersatzpflicht der Staatsanwaltschaft jedoch gemäß § 390 Absatz 3 StPO nicht in

Betracht kommt.

Landesgericht für Strafsachen Graz, Abteilung 1

Graz, 26. Juli 2021

Mag.a

Caroline List, Präsidentin

Elektronische Ausfertigung

gemäß § 79 GOG

 

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