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9.5.2019 Gerichtsverhandlung um Erwähnung von „Übergriffen“ – OLG hatte Ersturteil aufgehoben

KORREKTUR: Die Gerichtsverhandlung musste auf Do, 9.5.2019 ebenfalls 14 Uhr verschoben werden!

9.5.2019, 14:00 bis ca. 16:00 Uhr, Saal H (Zimmer 44)
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Marburger Kai 49, 8010 Graz
Mit bitte um solidarische Prozessbeobachtung!

Der Weg zum Recht ist mitunter sehr mühsam: In der ersten Runde gab es nach einer durch Richterin nicht gerade respektvoll geführten und daher sehr anstrengenden Verhandlung ein geradezu absurdes Urteil: Indem die Richterin Ingrid Tscherner ohne jede Begründung die zusätzlich eingebrachten Wahrheitsbeweise ignorierte, erklärte diese, dass das was im vor dem Gericht vorgeführten Beweisvideo zu sehen war, einfach nicht festgestellt werden konnte und erklärte kurzerhand die Gewalt gegen Versammlungsteilnehmer zur angemessenen Notwehr. Und das obwohl wenige Meter entfernt Polizeibeamte anwesend waren, die dann ohne jede Eile und ohne gröbere Gewalt selbst eingegriffen hatten.

Die Argumentation der Richterin wäre geradezu ein Freibrief, bei Bürger*innenprotesten private Sicherheitsdienste einzusetzen, die bei brenzligen Situation einfach in „Notwehr“ Gewalt gegen Menschen ausüben um Sachen zu „schützen“, selbst wenn diese nicht einmal nennenswert beschädigt werden (können).

Eine Berufung gegen dieses skandalöse Urteil war die logische Schlussfolgerung. Das Oberlandesgericht Graz gab der Berufung recht: Recht ausführlich legt es dar, dass die vom Erstgericht nicht behandelte Frage der Vertraulichkeit von Beschwerden an Behörden wesentlich ist, weil bei einer Datenschutzbeschwerde gegen die Stadt Graz nicht damit gerechnet werden kann, dass die Stadt Graz als belangte Behörde die Datenschutzbeschwerde an eine nicht mit der Beschwerde belangte private Firma – unserer Meinung nach wohl unter Missachtung des Amtsgeheimnisses – weiter leitet. Das Oberlandesgericht rügte weiters treffend, dass das Erstgericht einfach ohne weitere Feststellungen unterstellt, die Erwähnung von als Übergriffe gewerteten Vorfällen dienten der Stimmungsmache gegen die Kraftwerksbetreiber, wobei das Oberlandesgericht leider nicht anmerkt, dass die Stadt Graz – gegen die sich die Beschwerde richtete - ja gar nicht der Kraftwerksbetreiber ist, aber dennoch Mitauftraggeberin und aktive Unterstützerin der mittlerweile vom Landesverwaltungsgericht als rechtswidrig erkannten Murcampräumung war!

Auch wenn das OLG feststellt, dass das missachtete Beweisvideo in offenbarem Widerspruch zur bekämpften Negativfeststellung“ steht, mutet es dennoch seltsam an, dass in der kommenden Neuverhandlung der Wahrheitsbeweis wieder nur auf jenes Video beschränkt bleiben soll, das in der in der Datenschutzbeschwerde erwähnten Gerichtsverhandlung gleich mehrmals gezeigt wurde und die dort erlebte und vom Gericht nicht wahrgenommene Gewalt daher besonderen Nachdruck hinterließ und mit dem als Übergriff empfundenen Heranzoomen bei der nicht ausgeschilderten Videoüberwachung der rechtswidrigen Murcampräumung verknüpft wurde.

Auffallenderweise ging das Oberlandesgericht mit keinem einzigen Wort auf die vorgebrachte verfestigte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs über „entwürdigende Behandlung“ nach Artikel 3 EMRK ein, obwohl 2 wenn nicht alle der 3 Vorfälle wohl unter diese Rechtsprechung fallen. Selbst das Heranzoomen bei der rechtswidrigen Videoüberwachung könnte hierunter fallen. Die Beklagte hatte es jedenfalls so empfunden. In einer Demokratie sollte es Menschen schon möglich sein, selbst in gewissen Rahmen bestimmen zu können, was diese als Eingriff in die persönliche Sphäre, also als „Übergriff“, empfinden. Gerade bei politischen Konflikten kann und darf der Staat keine einheitliche Bewertung vorschreiben!

Insgesamt erstaunlich, mit welch großem Aufwand mensch sich gegen eine Klage wegen eines Nebenabsatzes einer Beschwerde gegen eine Videoüberwachung der rechtswidrigen Murcampräumung wehren muss, obwohl die klagende Firma gar nicht Adressat der Datenschutzbeschwerde war.

Es geht also um die Verteidigung grundlegender Menschenrechte, denn wenn nicht einmal eine Datenschutzbeschwerde gegen eine Behörde vertraulich behandelt wird und Versammlungsteilnehmer*innen der „Notwehr in offensiver Selbsthilfe“ ausgesetzt werden, ist die Demokratie in Gefahr, zumal die Erstrichterin sogar meint, dass „Institute wie Selbsthilfe und Notwehr auch juristischen Laien bestens bekannt sind“ und – so das Ersturteil – „das Fehlen der Rechtswidrigkeit der Übergriffe der Sicherheitsmitarbeiter für jeden Menschen erkennbar ist“.

Die murXredaktion