Mag. Ing. Martin Mair
Krottenbachstrasse 40/9/6
1190 Wien
An die
Datenschutzbehörde
Hohenstaufengasse 3
1010 Wien
Wien, 3.7.2018
Beschwerde an die Datenschutzbehörde
(Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG 2018)
Beschwerdeführer:
Martin Mair
1190 Wien
Beschwerdegegner:
Magistrat der Stadt Graz
Hauptplatz 1
8010 Graz
KLS Group Gesellschaft mbH & Co KG
Judendorfweg 10a
8101 Gratkorn
Als vermutliche (weitere) Auftraggeber:
Murkraftwerk Graz Errichtungs- und BetriebsgmbH
Leonhardgürtel 10
8010 Graz
EStAG - Energie Steiermark AG,
Leonhardgürtel 10,
8010 Graz
Ich erhebe Beschwerde wegen Verletzung meines Rechts auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten durch rechtswidrige Datenermittlung oder rechtswidrige Datenübermittlung
Rechtzeitigkeit der Beschwerde
Der beschwerte Vorfall hat am 3. Juli 2017 statt gefunden. Da Fristen gemäß AVG mit dem nachfolgenden Tag zu laufen beginnen, erfolgt diese Beschwerde binnen offener Frist von 1 Jahr.
Sachverhalt
Am 3.7.2017 ließen die Stadt Graz, die Graz Holding und die Murkraftwerk Graz Errichtungs- und BetriebsgmbH (siehe Beilage 1) ein sich auf einem zum Teil nicht ihr gehörenden Grundstück befindliches Protestcamp („Murcamp“) am öffentlichen Radweg der Wohnanlage am Langedelwehr 26 – 32 räumen und durch die Polizei absperren. Dabei haben sowohl ein Mitarbeiter der Holding Graz als auch ein Mitarbeiter der privaten Bewachungsfirma KLS den ganzen Vormittag über nicht ausgeschilderte Videoaufnahmen vom zur Wohnanlage Langedelwehr gehörenden Radweg aus auf das vor der Absperrung versammelte Publikum gemacht, das sich teilweise am öffentlichen Grund der Straße befand.
Dabei wurden vermutlich auch Tonaufnahmen gemacht. Die Profikamera, die vom Mitarbeiter der Holding Graz bedient wurde, hatte ein externes Profimikrofon aufgesetzt (siehe Foto).
Ich war ab ca. 10:15 ca. 1 Stunde vor Ort und es wurde fast während der gesamten Zeit seitens der Holding Graz (Warnweste hatte das Logo der Holding Graz aufgedruckt) und KLS (Geschäftsführer Christian Summer höchstpersönlich!) gefilmt, wobei Christian Summer fallweise einzelne Personen aus dem anwesenden Publikum nahe herangezoomt hat.
Diese Aufnahmen sind aufgrund ihrer Dauerhaftigkeit und Art der Durchführung (es wurde zumeist in einer totalen der Raum vor der Absperrung gefilmt, fallweise aber sogar auf einzelne Personen gezoomt) in Zusammenhang mit weiteren systematischen Videoaufnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung des Murkraftwerks Graz Puntigam als Videoüberwachung zu werten.
In einer Verhandlung am 22.6.2018 im Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (GZ 39 Cg 129/17w) hat KLS Geschäftsführer Christian Summer ausgesagt, dass die Videoaufnahmen zu dem Zweck angefertigt wurden, sowohl um mögliche Straftäter unter den Aktivisten zu identifizieren, als auch um eigene Mitarbeiter vor allfälligen Vorwürfen zu schützen und dass der Auftrag für Videoaufnahmen von der Energie Steiermark auch die Überwachung der Baustelle umfasste. (Beweisangebot: Gerichtsprotokoll noch nicht verfügbar, aber Mitschriften/Aussagen Prozessbeobachter Mag. Ing. Martin Mair bzw. Bericht des Anwalts der beklagten Partei).
Laut Vorlageantrag des Landesverwaltungsgericht Graz an den Verfassungsgerichtshof (GZ 90.3–3135/2017-1, siehe Beilage 2) war die Räumung des Murcamps rechtswidrig, weil erstens das Murcamp als unter der Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 EMRK sowie Versammlungsgesetz stand bzw. da die Bauarbeiten am Murkraftwerk in diesem Bereich erst 2 Monate später anfingen, Holding Graz und Murkraftwerkserrichter daher keine Nutzungsrechte hatten und kein Auftrag seitens der Hauseigentümer vorlag.
Rechtliche Begründung
Der Antragsgegner hat die Videoüberwachung ohne Ausschilderung und ohne Rechtsgrundlage betrieben.
Wie auch das Landesverwaltungsgericht aufgrund einer Maßnahmenbeschwerde gegen die Absperr- und Räumungsverordnung fest stellte, hatten die Auftraggeber der Räumung noch keine Nutzungsrechte!
Laut EU DSGVO müssen bei Bildüberwachung von Liegenschaften ALLE Eigentümer zustimmen!
Laut Aussage von Christian Stummer vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz (GZ 39 Cg 129/17w) hat die KLS ihre Videoaufnahmen an die EStAG übermittelt. Ob die Aufnahmen der Holding Graz an andere (z.B. Stadt Graz) übermittelt wurden, ist nicht bekannt.
Die Videoüberwachung verfolgte auch deswegen keinen berechtigtem Zweck, da aufgrund der Anwesenheit von mindestens 10 Sicherheitswachebeamten und von privaten Sicherheitsdienstmitarbeitern keine Rechtfertigung für einen massiven Eingriff in die Rechte Dritter durch eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum bestand:
„Ob die konkrete Ausgestaltung der Videoüberwachung rechtmäßig ist, ist (ungeachtet des Vorliegens einer rechtlichen Befugnis) in weiterer Folge im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 7 Abs. 3 DSG 2000) bzw. im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Erlaubnistatbestandes nach § 50a Abs. 3 und 4 DSG 2000 zu beurteilen. Nach den Erläuterungen soll auch für die Videoüberwachung das System der §§ 6 bis 9 DSG 2000 der Struktur nach beibehalten werden. Dabei verweisen die Erläuterungen auch auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in § 7 Abs. 3 DSG 2000 und führen weiter aus: "Dieser kommt auch § 1 Abs. 1 letzter Satz zum Ausdruck, wonach Beschränkungen nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden dürfen. Sofern taugliche Mittel zur Zielerreichung bestehen, die weniger eingriffsintensiv sind als das Mittel der Videoüberwachung, sind diese jedenfalls einer Videoüberwachung vorzuziehen“ (vgl. RV 472 BlgNR 24. GP, 17.)“ (VwGH Ro 2015/04/0011 RS 10)
Diese Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten EU DSGVO anzuwenden, da auch diese als Voraussetzung die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit für Datenverarbeitungen/Bildaufnahmen vorsieht und nach Artikel 23 Abs. 1 Ziff e) in Zusammenhang mit „Kontroll-, Überwachungs- und Ordnungsfunktionen“ nur für den öffentlichen Bereich vorsieht, dass im nationalen Recht Beschränkungen der Betroffenenrechte festgeschrieben werden können.
Dass gleich zwei verschiedene Auftraggeber ein und dasselbe Ereignis mit einer Bildaufnahme überwachen ist völlig unverhältnismässig und widerspricht dem „Sparsamkeitsgebot“ der EU DSGVO!
Erschwerend kommt hinzu, dass laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jede Maßnahme, die andere Menschen von der Teilnahme an Versammlungen abschreckt, eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 EMRK darstellt. Die permanente und immer wieder statt findende Videoüberwachung durch die KLS hat Berichten zufolge bei anderen Menschen eine abschreckende Wirkung gehabt.
Als Beweismittel für mein Vorbringen schließe ich an:
- Fotografie des Mitarbeiters der Holding Graz (er trug eine Warnweste mit dem Logo der Holding Graz) und des Geschäftsführers der Firma KLS, Herrn Christian Summer, die jeweils sich als Videoüberwacher betätigt haben.
- Gemeinsames Schreiben vom 27.6.2017 von Stadt Graz, Holding Graz und Murkraftwerk Graz Errichtungs- und BetriebsgmbH an die Landespolizeidirektion Graz
- Vorlageantrag des Landesverwaltungsgericht Graz an den Verfassungsgerichtshof
Antrag an die Datenschutzbehörde:
Durch das Verhalten des Beschwerdegegners erachte ich mich entsprechend meinem Vorbringen in meinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten als verletzt und beantrage, die Datenschutzbehörde möge mit Bescheid diese Rechtsverletzung feststellen und gegebenenfalls die Löschung der aufgezeichneten Videodaten veranlassen.
Die Datenschutzbehörde möge die Videoüberwachung der Beschwerdegegner aufgrund fehlender Rechtsgrundlage und fehlender Auszeichnung als rechtswidrig erkennen.
Da mehrere Personen von der beschwerten Bildaufnahme – nicht nur am 3.7.2017, sondern auch danach – betroffen waren, möge die Datenschutzbehörde die Datenverarbeitung der gesamten Videoüberwachung – auch die anderen Bildaufnahmen waren nicht ausgezeichnet! – entsprechend ihrer Prüfbefugnis nach § 11 Abs. 1 und 2 DSG 2018 überprüfen.
Die Datenschutzbehörde möge Verwaltungsstrafen gegen die Beschwerdegegner entsprechend DSGVO bzw. § 69 DSG 2018 oder § 52 DSG 2014 verhängen. Die Ermächtigung zur allfälligen Strafverfolgung wird erteilt, da aufgrund des noch fernen Baubeginns die Unrechtmäßigkeit der „Murcampräumung“ zu erkennen war und schon die Bezeichnung „Protestcamp“ darauf schließen lässt, dass auch die Auftraggeber der „Murcampräumung“ sich der durch die Verfassung geschützten Versammlung bewusst waren.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Ing. Martin Mair
Anlage:
2 Fotos von der Videoüberwachung
Gemeinsames Schreiben vom 27.6.2017 von Stadt Graz, Holding Graz und Murkraftwerk Graz Errichtungs- und BetriebsgmbH an die Landespolizeidirektion Graz
Vorlageantrag des Landesverwaltungsgericht Graz an den Verfassungsgerichtshof