In den Podiumsdiskussionen fühlten sich die Bosse und Manager der E-Wirtschaft unter sich und redeten frei von der Leber weg. Man höre und staune ...
Koenne: Nach diesen Ausführungen brauchen wir, wenn wir den im Ausbauprogramm vorhandenen Strom verkaufen wollen, im Wärmesektor eine Zuwachs von 10 Prozent pro Jahr; nicht insgesamt 10 Prozent mehr, sondern jedes Jahr 10 Prozent mehr Elektroheizung. ich kann mir bei den ruhigen Strategien, die ich in den Arbeitsgruppen gehört habe, einen Zuwachs von 10 Prozent nur schwer vorstellen. Das liegt ja weit über all dem, was die EDV-Firmen in ihren guten Zeiten zum Teil erreicht haben, und die haben immerhin im Marketing einiges gekonnt. Ich glaube, darüber sollte man sich schon noch ein bißchen unterhalten.
Richtig interpretiert, würde das bedeuten, daß, wenn man den Einsatz der Elektroheizung nur beim Zuwachs in der Bausubstanz ansetzt, das nicht zu erreichen ist. Mit anderen Worten, eine Strategie, die nur darauf aus ist, bei Neubauten Elektroheizungen anstelle anderer Heizungen zu installieren - und das vermutlich nicht zu 100 Prozent-, würde auf jeden Fall einen zu geringen Zuwachs bedeuten. Wenn die Zahlen richtig sind, geht es um echtes Verdrängen und Ersetzen – von bereits vorhandenen Heizungen. Das braucht natürlich schon eine ganz andere Aggressivität im Markt als zu sagen, "na ja, wenn wer zu uns kommt, darf er anschließen".
Ich weiß nicht, ob Sie heute in die Zeitung hinein geschaut haben. Es steht auch drinnen, daß beabsichtigt ist, den Strompreis wieder wesentlich höher zu versteuern. Wenn das dazukommt, bedeutet das dadurch auch natürlich einen höheren Strompreis. Das ergibt wieder einen negativen Einfluß auf die ganzen Intentionen, die jetzt laufen, daß wir mit dem Strom konkurrenzfähiger werden sollen. Es ist vielleicht nur eine Überlegung. ich habe mir jetzt gedacht, vielleicht ist das schon die erste Bremse, die erste Hürde, die sich uns entgegenstellt.
Soviel ich weiß, aber vielleicht wissen es die Leute von unseren Lastverteilern besser, ist im Augenblick in Europa die Situation nirgends so, daß jemand sehr danach schreit, Strom von uns zu kaufen.
Für mich spiegelt sich in der Situation, die wir jetzt skizziert haben, ein bißchen die Struktur unserer Unternehmen insoferne wider, als wir primär versucht haben, das Produktionsproblem zu lösen. Wir haben zunächst in unseren Gesellschaften versucht, gute Kraftwerke zu bauen, Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad, an idealen Stellen, mit technisch einwandfreien Lösungen; wir haben versucht, gute Netze zu bauen. Bei uns hat die Produktionsseite überwogen, und die Marketingseite ist vernachlässigt worden. Für dieses Verhalten von Unternehmen gibt es leider (im nicht verstaatlichen und so abgesicherten Bereich) eine Reihe von Beispielen, die zum Untergang der Unternehmen geführt haben. Gute Ingenieurleistungsunternehmen, die ein schlechtes Marketing gehabt haben, sind vom Markt verschwunden.
Es können sich alle noch an die Firma Borgward erinnern. Es gibt auch im Haushaltgerätesektor eine ganze Reihe Beispiele dafür, und vielleicht zählt dazu auch die AEG. Das ist ein Verhalten, das für Unternehmen, die im Markt wirklich als freie Unternehmen überleben wollen, unter Umständen sehr gefährlich ist. Die sitzen dann auf ihren exzellenten Produktionen und finden niemand oder nicht genügend, die sie kaufen.
Ich würde Sie daher wirklich bitten, schauen Sie sich Ihre Bilanzen an.
Was passiert, wenn die Annahmen über Zuwachsraten und Umsatzsteigerung falsch sind, mit den Zinsenbelastungen auch das investierte Kapital? Mir wird immer ein wenig Angst, wenn ich solche Rechnungen mit etwas anderen Zahlen zu machen versuche. Es war bisher immer möglich, die anfallenden Zinsen vom aufgenommenen Kapital zu zahlen. Aber wenn wir einen stagnierenden oder reduzierten Absatz haben? Marketing heißt, das Hineingehen in den Markt, heißt, daß wir Strom verkaufen wollen, und ist wahrscheinlich eines der wichtigen Dinge, die wir vor uns haben. Ob das aber gut gehen kann, wenn man sich friedlich mit allen anderen Energieträgern (bis zur Fernwärme) arrangiert? Ich habe meine Zweifel.
Gutjahr: Der dritte Punkt war die Prognose. Dazu kann ich mich kurz fassen, denn erstens haben Sie schon vom ersten Arbeitskreis einiges darüber gehört und zweitens sind wir eigentlich zur Überzeugung gekommen, wenn wir zur Wahrsagerin gehen, bekommen wir vielleicht bessere Werte, als wenn wir zwei Stunden darüber diskutieren. Wir haben uns also auf die Feststellung beschränkt die der Herr Ing. Wiessner von der Verbundgesellschaft eingebracht hat, daß es eben eine Diskrepanz gibt zwischen dem koordinierten Ausbauprogramm, zwischen Importverträgen und der tatsächlichen Absetzmöglichkeit. Wir haben uns auf die schöne Formulierung geeinigt, daß dadurch die Sicherung der inländischen Elektrizitätsversorgung gigantisch gewachsen ist. Außerdem sind wir zu dem Schluß gekommen, daß dieser Strom, den wir nun einmal haben, auch irgendwo nutzbringend verkauft werden sollte. Für tatsächliche Chancen wäre es wohl notwendig, daß die einzelnen EVUs in ihrem eigenen Bereich Marktanalysen machen, und diese Marktanalysen dann gesammelt werden.
Brosch: Es wurde übereinstimmend (im Arbeitskreis 4: “Marktanalyse und Marktstrategie” -Anm_ d. Red.) festgestellt, daß die direkte Werbung für mehr Stromabsatz nicht zielführend sei, sondern sie sollte durch diverse Deckmäntel laufen, eben über die Wirtschaftlichkeit, über die Bequemlichkeit. Das hat den Sinn, nicht von vornherein in einer Phase des Anstiegs unnötigen Widerspruch zu erzeugen.
Wiessner: Durch die konsequente Verfolgung des Koordinierten Ausbauprogrammes und der Importe stehen infolge des Verbrauchsrückganges freie Energiemengen in den jeweiligen Jahresperioden zur Verfügung.
Steht man dieser Situation tatenlos gegenüber, werden sich insoferne Konsequenzen ergeben, als Kraftwerke abgestellt werden müssen, deren Kapitalkosten und unter Umständen auch Brennstoffkosten, soferne längerfristige Verträge über Kohlelieferungen abge-schlosssen wurden, jedoch von den jeweiligen EVU getragen werden müssen. Auf Sicht wäre auch das Bauprogramm zu überdenken.
... will die Elektrizitätswirtschaft gegenüber Fernwärme und Öl/Gas als Energieträger nicht zurückbleiben, muß sie versuchen, den Verkauf elektrischer Energie . . . zu aktivieren.
... Aufgrund des stagnierenden Bedarfszuwachses bedarf es gerade in dieser Zeit marktstrategischer Überlegungen und Anreizbildungen für Abnehmer, sich wieder für Elektrizität zu entscheiden.
„Ebenso sollten hier Auswirkungen besprochen werden, wenn es der E-Wirtschaft nicht gelingt, den Wärmemarkt im gewünschten Maße zu erschließen (Überkapazität)“.
G. Österreicher, GTE, im Einleitungsreferat
„Die Erfordernisse aufgrund des Energieüberangebotes liegen auf der Hand.“
H. Maurer, KELAG
Aus: Die Schlacht der Bäume