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Die Kriminalisierung gewaltfreier Protest geht weiter: Schikanöses Strafverfahren am Straflandesgericht Graz

Von Murxredaktion am Di., 04.07.2017 - 22:51

Staatsanwaltschaft versucht aus leichter Selbstverletzung eines Security-Mitarbeiters ein schweres Verbrechen zu konstruieren

(Graz 4.7.2017) Mit der offensichtlich übereilten und rechtswidrigen Räumung des unter dem im Verfassungsrang stehenden Versammlungsfreiheit nach Artikel 11 EMRK stehenden Murcamps1 von einem Grundstück, über das aufgrund noch nicht abgeschlossener Enteignungsverfahren vermutlich die Stadt Graz noch gar nicht verfügte, soll offenbar die von Bürgermeister Siegfried Nagl und der von den politischen Parteien getragenen EStAG vorangetriebene Kriminalisierung friedlicher Proteste fortgesetzt werden.

Für Mittwoch, 5.7.2017, hat das Landesgericht Graz gegen 7 (neuesten Meldungen zufolge sogar 9) TeilnehmerInnen der Spontandemonstration am 6.2.2017 gegen die just kurz nach geschlagener Wahl gestarteten Rodungen für das umstrittene Murkraftwerk Graz Puntigam ein Strafverfahren wegen angeblicher „schwerer Körperverletzung“, „Nötigung“ sowie „Sachbeschädigung“ mit 5stündiger Verhandlung angesetzt. Dabei reißt die Staatsanwaltschaft den erst 2015 unter Justizminister Wolfgang Brandstetter hinzugefügten Absatz 5 zur schweren Körperverletzung nach Artikel 84 StGB aus dem Zusammenhang2, der Körperverletzungen mit Verletzungs- oder Misshandlungsabsicht auch dann als „schwere Körperverletzung“ wertet, wenn diese „in verabredeter Verbindung“ gemacht wird.

Kurzes Gerangel am Zaun wird vom Staat groß aufgeblasen

Das Kuriose an der Anklage ist, dass der Securitymitarbeiter unter Verletzung jeder Sorgfaltspflicht völlig ungeschickt sich selbst verletzt hatte, als er – frisch von außen zum Bauzaun gekommen – dessen Umfallen verhindern wollte, indem er ohne Handschuhe und noch mit einem Regenschirm in zweiter Hand von ob kurz auf den Zaun griff und sich an der Zaunzacke verletzte.

Das Rütteln am Zaun, bei dem ein Schelle brach, ging eher von der von der Firma KLS gestellten Security aus: DemonstrantInnen glaubten um 15:20 Uhr die Rodungen stoppen zu können, in dem die die sowieso rechtswidrig zu geringen Abstände zum vermutlich nicht einmal genehmigten Zaun weiter zu verringern suchten. Der Zaun wurde so brutal zurück geworfen, dass vermutlich ein friedlich dastehender Demonstrant im Gesicht schwer verletzt hätte werden können. Ein KLS Mitarbeiter schlug einem Demonstranten wie in Rage mehrmals auf die blanken Hände. Kurz darauf hat dieser Mann einen potentiellen Baumfällungsblockierer von hinten ins Gesicht greifend zu Boden geworfen.

Zwar nutzten einige Umstehende die Gunst der Schrecksekunde, um ohne Eile über den gefallenen Zaun zu steigen und im Rodungsgebiet die für diesen Tag schon dem Ende zugehenden Baumfällungen für vielleicht 2 Stunden zu unterbrechen. Was ist dieser kurze Protest gegen das viel größere Verbrechen der Konzerne, die für unrentable Kraftwerke die Umwelt und vor allem die Geldbörse der GrazerInnen massiv schädigen: Kosten für Speicherkanal und Kraftwerk über 160 Millionen Euro.

Versammlungsfreiheit durch rechtswidriges Handeln der Grazer Behörden in Gefahr!

Anstatt die in Verfassungsrang stehende Versammlungsfreiheit zu schützen, indem Security Mitarbeiter von Übergriffen abgehalten werden und Gemeingefährdung durch eilends zu knapp aufgestellten Bauzäunen – zu Baumfällungen gilt als Mindestabstand das 1,5fache der höchsten Baumhöhen; bei einem nahen Zaunsegment fiel sogar ein gefällter Baum in den Zaun! – abgestellt wird, versucht die Staatsanwaltschaft Graz eine Täter-Opfer-Umkehr zu machen und klagt jene an, die durch ihre Anwesenheit auf die Missstände aufmerksam machen. Gefährdet durch herabstürzende Bäume waren nicht nur die DemonstrantInnen, sondern auch die Securitymitarbeiter und teilweise sogar die Polizei im allzu engen Streifen des Rodungsgebietes!

Die Verhandlung wird also noch spannender werden als jene gegen den NGO-Fotografen Franz Keppel und Naturschutzbund Steiermark Vizepräsidentin Romana Ull3. Mit allen Mitteln wird hier offensichtlich versucht, ein höchst fragwürdiges Großprojekt auf Kosten der Bevölkerung, der Grundrechte sowie des Rechtsstaates in Österreich durchzudrücken.

Laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte wird die Versammlungsfreiheit auch durch jede Maßnahme eingeschränkt, die eine Abschreckungswirkung hat, sodass sich Menschen nicht mehr trauen, an einer weiteren Versammlung teilzunehmen (EGMR Balcik u.a. vs. Türkei Nr 25/02 Z 41f, EGMR Trofimchuk vs.Ukraine  Nr. 4241/03 Z 35).

Spannend wird auch sein, ob die Medien endlich umfassender und differenzierter über den Kraftwerks- und Kanalskandal berichten werden. Es geht ja nur um die Zukunft einer bereits hoch verschuldeten Landeshauptstadt. Der Schuldenstand wird von 1,3 auf 1,6 Milliarden Euro steigen!

Prozessdaten:

Erste Verhandlung am 5.7.2017, 9:00 – 14:00 Uhr

Verhandlungssaal 3/pt.
Landesgericht für Strafsachen Graz
Conrad-von-Hötzendorf-Straße 41
Richterin: Mag. Margarete Lapanje

1 http://www.murxkraftwerk.at/murcamp-geraeumt-menschenrechtsstadt-graz-missachtet-das-verfassungsrecht-auf-versammlungsfreiheit.html

2 Expertenbericht: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/III/III_00104/imfname_366604.pdf
Begutachtung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00098/
Regierungsvorlage: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00689/index.shtml

3 http://www.mediaaustria.at/aktionen/prozessbeobachtung/estag_murkraftwerk_graz_gegen_fotografen_franz_keppel/index.html

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