Bereitstellungszeitpunkt: 31.08.2018 13:30:22 | Anschriftcode: R137001 | ÜSt: MANZ
Hinterlegt am 31.08.2018 - 13:30
REPUBLIK ÖSTERREICH
LANDESGERICHT FÜR ZIVILRECHTSSACHEN GRAZ
39 Cg 129/17w-15
(Bitte in allen Eingaben anführen)
8010 Graz
Marburgerkai 49
Tel.: +43 316 8064 0
Fax: +43 316 8064 3600
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Abteilung 39, erkennt durch die Richterin Mag. Ingrid Tscherner, in der Rechtssache der klagenden Partei KLS Group GmbH & Co KG, Judendorfweg 10a, 8101 Gratkorn, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Beklagte Karin Rausch, selbständig, 8053 Graz-Neuhart, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (EUR
10.000,00) und Widerruf (EUR 10.000,00), nach mit beiden Teilen durchgeführter öffentlicher, mündlicher Streitverhandlung zu Recht:
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Die Beklagte ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution die Behauptung zu unterlassen, Mitarbeiter der klagenden Partei hätten sich gegenüber Protestierenden gegen das umstrittene Murkraftwerk Graz-Puntigam Übergriffe zu Schulden kommen lassen.
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Die Beklagte ist schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gegenüber der österreichischen Datenschutzbehörde in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 3, die Behauptung schriftlich zu widerrufen, Mitarbeiter der klagenden Partei hätten sich gegenüber Protestierenden gegen das umstrittene Murkraftwerk Graz-Puntigam Übergriffe zu Schulden kommen lassen
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Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.041,28 (EUR 743,00 USt- freie Barauslagen und EUR 716,38 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit der am 24.11.2017 eingebrachten Klage stellte die klagende Partei das aus dem Spruch ersichtliche Begehren. Sie sei von der Murkraftwerke Graz Errichtungs- und Betriebs GmbH mit der Überwachung der Baustelle des Murkraftwerkes Graz betraut worden, zumal die Auftraggeberin damit konfrontiert sei, dass „Aktivisten“ diverse Störungshandlungen gegen [Ende Seite 1 von 9] den Baufortschritt unternehmen.
Die Beklagte habe wahrheitswidrig in einer an die österreichische Datenschutzbehörde gerichteten Beschwerde vom 16.08.2017 die Behauptung aufgestellt, Mitarbeiter der klagenden Partei hätten sich gegenüber Protestierenden Übergriffe zu Schulden kommen lassen. Die Mitarbeiter der klagenden Partei hätten jedoch nur mit äußerster Maßhaltung und vergeblich zu verhindern versucht, dass Aktivisten sich mittels Gewalt und Nötigung Zugang zur Baustelle verschaffen, indem sie einen Eisenzaun umdrücken, Baumaschinen blockieren und auf diese klettern.
Durch die wahrheitswidrige Behauptung, ihre Mitarbeiter hätten Übergriffe begangen, habe die Beklagte die Ehre, den Ruf und den Kredit der klagenden Partei geschädigt, und die aus dem öffentlichen Bereich stammenden Auftraggeber der klagenden Partei würden es nicht dulden, mit einem Unternehmen zusammenarbeiten, das sich gegenüber Protestierenden des Mittels der Gewalt bediene. Da die Datenschutzbehörde das Schreiben der Beklagten an die Stadt Graz weitergeleitet habe, habe der von der Beklagten erhobene Vorwurf - entsprechend
der Absicht der Beklagten - weite Kreise gezogen. Die Beklagte habe damit die Tatbestände des § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB erfüllt.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen mit Klagebeantwortung vom 21.12.2017 und brachte im Wesentlichen vor, der Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB könne schon deshalb nicht erfüllt sein, da die Behauptungen des Übergriffes keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil darstelle. Darüber hinaus liege ein ausreichender Tatsachenkern vor, der die Wertung als Übergriff durch die Beklagte rechtfertige. Dieser Tatsachenkern bestehe darin, dass ein Security Mitarbeiter einer Person auf die Hände geschlagen habe, eine Person von einer Baumaschine weggezogen, dieser dabei dabei ins Gesicht gegriffen und diese zu Boden geworfen habe und ein Mitarbeiter der klagenden Partei den Zaun energisch zurückgeschlagen und dabei den Zaun fast ins Gesicht eines Demonstranten geworfen hätte.
Der Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB sei auch deshalb nicht erfüllt, da es zu keiner Verbreitung von Tatsachen gekommen sei. Außerdem sei die Beklagte gerechtfertigt, da sie sich zur Geltendmachung von Rechten an die Datenschutzbehörde gewendet habe.
Auf Grund von Videomaterial, auf dem die genannten Vorfälle mit den Mitarbeitern der klagenden Partei dokumentiert seien, habe die Beklagte jedenfalls gutgläubig und nicht schuldhaft gehandelt, zumal sie triftige Gründe gehabt habe, ihre Äußerungen für wahr zu halten.
Schließlich sei der von der klagenden Partei verlangte Widerruf gegenüber der Datenschutzbehörde nicht geeignet, eine von der klagenden Partei behauptete Rufschädigung bei Auftraggebern des öffentlichen Bereichs zu beseitigen. Die Eingabe bei
[Ende Seite 2 von 9] einer Behörde, die der Verschwiegenheitspflicht unterliege, könne nicht als öffentlich angesehen werden. Feststellungen:
Die klagende Partei wurde von der Murkraftwerke Graz Errichtungs- und Betriebs GmbH mit der Überwachung der Baustelle des Murkraftwerkes Graz beauftragt. Am 06.02.2017 war die Baustelle mit einem Bauzaun, bestehend aus in Betonsockel eingesteckten Metallelementen, die im oberen Bereich miteinander verbunden waren, gesichert. Innerhalb des Zauns, auf Seite der Bauarbeiten, waren die Mitarbeiter der klagenden Partei postiert. Außerhalb des Zauns waren Demonstranten anwesend, von denen 15 bis 20 Personen wiederholt versuchten, den Zaun zu stürmen, indem sie am Zaun rissen und versuchten, diesen umzuwerfen. Ihnen gelang es schließlich, den Zaun über eine Länge von 15 bis 20 m umzuwerfen. Daraufhin drangen Personen in das Baugelände ein und versuchten, die Bauarbeiten zu behindern, indem sie etwa auf Baumaschinen kletterten.
(PV des Geschäftsführers der klagenden Partei Christian Summer in der Tagsatzung vom 22.06.2018, ON 10, PS 2 ff; Videoaufnahmen vom 06.02.2017, Beilage ./2; Augenschein ON 10, PS 9f) Außerhalb und innerhalb des Zaunes waren auch Polizisten anwesend, die versuchten, Protestierende am Eindringen in die Baustelle zu hindern, eingedrungene Protestierende aus dem Baustellengelände zu entfernen und nicht gegen die Sicherheitsmitarbeiter vorgingen (unstrittig; Videos vom 06.02.2017, Beilage ./2) .
Am 05.07.2017 war die Beklagte als Zuschauerin einer Strafverhandlung beim Landesgericht für Strafsachen Graz anwesend, in dem es um Vorwürfe gegenüber Demonstranten im Zusammenhang mit Tathandlungen am 06.02.2017 ging. In der Hauptverhandlung wurde im Verhandlungssaal ein Video vom 06.02.2017 abgespielt, das die Beklagte sah. (PV der Beklagten ON 10, PS 5 f)
Am 16.08.2017 wandte sich die Beklagte mit einer Beschwerde an die Datenschutzbehörde, da Mitarbeiter der Holding Graz und Mitarbeiter der klagenden Partei am 03.07.2017 anlässlich der Räumung des Protestcamps „Murcamp“ in Anwesenheit der Beklagten rechtswidrige Videoaufnahmen gemacht hätten.
Nach Schilderung des datenschutzrechtlich relevanten Sachverhaltes und Abgabe einer rechtlichen Wertung führte die Beklagte ua auch Folgendes aus:
„Auch ist auf Grund der Anwesenheit der Sicherheitswachebeamten keinesfalls von der Gefahr eines gefährlichen Angriffes entsprechend § 50 DSG auszugehen, zumal in [3 von 9] Zusammenhängen mit Protesten gegen das umstrittene Murkraftwerk Graz Puntigam keine gewalttätige Angriffe von Protestierenden bekannt. In Verhandlungen, denen ich als Prozessbeobachterin beiwohnte, habe ich auf vorgeführten Bildmaterial allerdings Übergriffe von Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes KLS bzw. gesehen, weshalb gegebenenfalls nicht das gewaltfreie Publikum zu überwachen gewesen wäre sondern die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes KLS. ….“.
(Beschwerde an die Datenschutzbehörde vom 16.08.2017, Beilage ./B)
Es kann nicht festgestellt werden, ob Mitarbeiter der klagenden Partei den Bauzaun energisch zurück - und dabei beinahe ins Gesichts einer protestierenden Person schlugen.
Auf einem Video vom 06.02.2017 sieht man, dass ein Mann, der schon vorher auf den Zaun gegriffen hatte, mit zwei Händen den Zaun ergreift und sich mit seinem Körpergewicht gegen den Zaun drückt, der von innen von Security Mitarbeitern zurückgedrückt wird. Ein Security Mitarbeiter schlägt im Video fünfmal auf die den Zaun umklammernden Finger des Mannes, während dieser mit seiner Körperkraft gegen den Zaun drückt, bis ein Polizist den Mann vom Zaun wegbringt. Auf dem Video sieht man weiters, dass der Zaun im Bereich einiger Zaunsegmente umfällt und protestierende Menschen das Baustellengelände betreten, auf dem Bauarbeiten im Gange sind. Zwei protestierende Personen klettern auf einen Bagger.
Ein Mitarbeiter der klagenden Partei umfasst einen Mann, der sich am Bagger festklammert, von hinten im Bereich des Gesichtes und zieht ihn zu Boden.
(Videos vom 06.02.2017, Beilage ./2)
Die klagende Partei wird immer wieder von öffentlichen Institutionen beauftragt, die es nicht dulden, wenn die klagende Partei dem Vorwurf von Übergriffen ausgesetzt ist. Die Datenschutzbehörde leitete das Schreiben der Beklagten, die dort als Beschwerdegegner den Magistrat der Stadt Graz angeführt hatte (Schreiben, Beilage ./B) , an die Stadt Graz weiter.
Sowohl die Stadt Graz, als auch die Energie Steiermark AG haben von den von der Beklagten erhobenen Vorwürfen erfahren. (PV des Geschäftsführers der klagenden Partei ON 10, PS 3 f)
Beweiswürdigung:
Der Geschäftsführer der klagenden Partei schilderte sehr gut nachvollziehbar und ohne widersprechende Beweisergebnisse den Auftrag der klagenden Partei und die örtlichen Gegebenheiten am 06.02.2017. Außerdem schilderte er - ohne widersprechende Beweisergebnisse und in Übereinstimmung mit dem auch in Rahmen der Verhandlung gesichteten Videomaterial, das die Beklagte in Form der Beilage ./2 vorlegte -, dass die protestierenden Personen wiederholt versuchten, den Zaun zu stürmen, indem sie an diesem [Ende Seite 4 von 9] rüttelten, diesen schließlich umwarfen und ins Baustellengelände eindrangen.
Die Beklagte schilderte selbst, dass sie zwar am 06.02.2017 nicht persönlich anwesend gewesen sei, die Videos von diesem Tag aber als Zuschauerin einer Hauptverhandlung am Landesgericht für Strafsachen Graz gesehen habe. Daraus leite sie ihre Einschätzung zu diesen Ereignissen ab, die sie dann - unstrittig - auch in ihrer Beschwerde an die Datenschutzbehörde schilderte.
Die Handlungen der Mitarbeiter der klagenden Partei ergeben sich aus dem im Rahmen der Verhandlung gesichteten Videomaterial. Ein Anhaltspunkt für eine Szene, in der ein Mitarbeiter der klagenden Partei so energisch den Zaun zurückschlug, dass dabei der Zaun beinahe, ins Gesicht eines protestierenden Menschen geschlagen wurde, ergibt sich aus dem Video nicht. Dazu traf das Gericht eine Negativfeststellung.
Schließlich schilderte der Geschäftsführer der klagenden Partei sehr gut nachvollziehbar und ohne widersprechende Beweisergebnisse, dass die klagende Partei immer wieder von öffentlichen Institutionen beauftragt werde. Außerdem gab er an, dass sein Unternehmen nach der Übermittlung des Schreibens der Beklagten an die Datenschutzbehörde sowohl von der Energie Steiermark AG, als auch von der Stadt Graz mit den Vorwürfen konfrontiert worden sei, woraus das Gericht schließt, dass beide Rechtsträger von den von der beklagten Partei erhobenen Vorwürfen Kenntnis erlangten. Dass die Datenschutzbehörde das Schreiben an die Stadt Graz weiterleitete, ergibt sich daraus und aus dem Umstand, dass die Beklagte selbst den Magistrat Graz als Beschwerdegegner.
Rechtliche Beurteilung:
Mit der zitierten Passage in der Beschwerde an die Datenschutzbehörde wirft die Beklagte der klagenden Partei vor, ihre Mitarbeiter hätten Übergriffe gegenüber Protestierenden zu verantworten. Auch wenn sie dies nicht genau in diesem Wortlaut ausführt, so spricht sie doch klar von Übergriffen von Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes, aus denen sie schließt, dass nicht das, wie sie schreibt, gewaltfreie Publikum zu überwachen gewesen wäre, sondern die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes KLS. Nachdem sie einen Satz davor ausführt, dass in Zusammenhängen mit den Protesten gegen das Murkraftwerk keine gewalttätigen Angriffe von Protestierenden bekannt seien und dann ausführt, dass sich aus dem Bildmaterial allerdings Übergriffe von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes ergäben, ist ihre Aussage für den Leser ganz klar dahingehend zu verstehen, dass sie Mitarbeitern der klagenden Partei Übergriffe gegenüber Protestierenden vorwirft.
Unter einem Übergriff wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein unrechtmäßiger Eingriff in [Ende Seite 5 von 9] die Angelegenheiten, den Bereich oder Ähnliches eines anderen verstanden (siehe www.duden.de). Wird in der Öffentlichkeit von einem Übergriff gesprochen, assoziiert man damit einen in unserem Werte- und Rechtssystem verpönten Eingriff in die körperliche, sexuelle oder psychische Integrität einer anderen Person. Jedenfalls wird damit etwas Rechtswidriges oder Verbotenes verbunden. Auch wenn das Wort „Übergriff“ an sich nicht unmittelbar mit einem Strafdelikt gleichzusetzen ist, liegt ihm doch der Vorwurf einer derart verpönten Handlung zu Grunde. Die Beklagte brachte vor, sie bewerte das Verhalten der Mitarbeiter der klagenden Partei als Übergriff, weil sie im Video das Schlagen auf eine Hand, Wegziehen von einer Baumaschine durch ins Gesicht Greifen, zu Boden Werfen und energische Zurückschlagen des Zaunes, mit dem beinahe das Schlagen des Zaunes ins Gesicht eines Protestierenden verbunden gewesen wäre, gesehen habe.
Der Vorwurf eines Übergriffs ist insofern objektiv nachprüfbar und einem Beweis zugänglich, als sich der dem Vorwurf zu Grunde liegende Tatsachenkern, nämlich, ob ein rechtswidriger Eingriff in die Integrität eines Menschen oder dessen Eigentum vorliegt, auf Beweisebene überprüfen lässt. Das Gericht geht daher davon aus, dass es sich bei dem von der Beklagten erhobenen Vorwurf um eine Tatsachenbehauptung und nicht nur um ein bloßes Werturteil handelt. (vgl. Kissich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.04 § 1330 (Stand 1.1.2018, rdb.at) Rz 16) Grundsätzlich kann dieser Vorwurf des rechtswidrigen Eingriffes sowohl den Tatbestand der Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB, als auch jenen der Rufschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB erfüllen. Der Vorwurf eines rechtswidrigen Eingriffes hat eine strafrechtliche Relevanz und ist geeignet, die Ehre einer - auch juristischen – Person zu beeinträchtigen. Darüber hinaus gefährdet der Vorwurf auch das Fortkommen der klagenden Partei, da der Vorwurf an eine Sicherheitsfirma, ihre Mitarbeiter würden im Rahmen von beruflichen Einsätzen rechtswidrige Übergriffe begehen, geeignet ist, potentielle Auftraggeber, vor allem im Bereich der öffentlichen Hand, abzuschrecken.
Es ist zu überprüfen, ob die Beklagte auf Grund der festgestellten Handlungen der Mitarbeiter der klagenden Partei berechtigt war, ihnen Übergriffe vorzuwerfen.
Es wurde festgestellt, dass ein Security Mitarbeiter einer protestierenden Person fünfmal auf die Finger jener Hand schlug, mit der die Person sich unter Einsatz ihres Körpergewichtes am Bauzaun festklammerte und gegen diesen drückte. Durch diese Handlung versuchte der Protestierende seinerseits mit Gewalt, die Freigabe der Absperrung zu erzwingen und fremdes Eigentum zu beschädigen. Auch wenn die Handlung des Mitarbeiters der Sicherheitsfirma Elemente der Misshandlung nach § 83 Abs 2 StGB tragen könnte, wobei überhaupt kein Anhaltspunkt für das Eintreten der Verletzung beim betroffenen Protestierenden vorliegt und ein strafrechtlich relevanter Versuch bei diesem Delikt nicht in Frage kommt (vgl RIS-Justiz RS0089664) ist diese Handlung eine Reaktion auf rechtswidrige [Ende Seite 6 von 9] Handlungen des Protestierenden. Da die durch die Nötigung angegriffene Freiheit und das Eigentum notwehrfähige Rechtsgüter sind (§ 3 StGB), mangelt es der Handlung des Security Mitarbeiters an der für die Qualifikation als Übergriff notwendigen Rechtswidrigkeit.
Das Beweisverfahren hat außerdem ergeben, dass Mitarbeiter der klagenden Partei eine Person von einer Baumaschine weggezogen, ihr dabei ins Gesicht gegriffen und sie dabei zu Boden zogen. Angesichts der Tatsache, dass die betroffene Person zuvor widerrechtlich in das Baustellengelände eingedrungen war, ist auch diese Handlung nicht als rechtswidrig anzusehen. Nach § 344 ABGB hat der Besitzer das Recht, sich in seinem Besitz zu schützen und in dem Fall, dass die richterliche Hilfe zu spät kommen würde, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben. Diese Bestimmung verweist auf § 19 ABGB, womit klargestellt ist, dass das Recht, in Notwehr offensive Selbsthilfe anzuwenden, auch im Fall einer Besitzstörung anwendbar ist. Die Ausübung des Hausrechts ist als Ausfluss des Selbsthilferechtes nach § 344 ABGB insoweit zulässig, als staatliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und nur angemessene Gewalt angewendet wird. (vgl Eccher/Riss in KBB 5 § 344 Rz 1;
Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Großkommentar zum ABGB – Klang-Kommentar - §§ 285 – 352 ABGB Sacherecht I § 344 Rz 22ff) Die klagende Partei war vom Besitzer beauftragt, das Baustellengelände gegen eindringende Demonstranten abzusichern. Dieser Aufgabe kam sie nach, indem sie einen Bauzaun bewachte und zu verhindern versuchte, dass Demonstranten eindrangen. Als diese den Zaun umrissen und ins Baustellengelände eindrangen, um etwa durch Erklettern von Baumaschinen die Bauarbeiten zu behindern, entfernten sie eine Person von einer Baumaschine. Die Mitarbeiter der klagenden Partei übten daher für ihren Auftraggeber das Hausrecht auf der Baustelle aus und entfernten die einen Bagger behindernde Person mit angemessener Gewalt, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass kein Anhaltspunkt für Verletzungsfolgen dieser Gewaltanwendung vorliegt.
Dass ein Zaun energisch zurückgeschlagen und beinahe ins Gesicht eines Demonstranten geworfen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Abgesehen davon würde dieser Vorwurf allein noch keinen rechtswidrigen Übergriff bedeuten, zumal die Gegenwehr der Sicherheitsleute gegen das Umdrücken des Zauns in Ausübung des Notwehrrechts nicht unbedingt rechtswidrig wäre (siehe oben).
Im vorliegenden Fall waren staatliche Organe, nämlich Polizisten zum Zeitpunkt der Besitzstörung am Grundstück anwesend. Die Ausübung des Hausrechtes erfolgte quasi unter Aufsicht und unter Mitwirkung der Polizisten.
Insgesamt ergibt sich, dass die festgestellten Handlungen der Sicherheitsmitarbeiter keine rechtswidrigen Eingriffe darstellen und daher den Tatbestand eines „Übergriffes“ nicht erfüllen.
Der Vorwurf, die klagende Partei hätte Übergriffe zu verantworten, erfolgte daher rechtswidrig,
[Seitenende 7 von 9]und der klagenden Partei steht ein auf § 1330 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch zu.
Die klagende Partei beantragte als Schadenersatzanspruch auch den Widerruf der getätigten Äußerung gegenüber der Adressatin, der Datenschutzbehörde. Es handelt sich bei diesem Anspruch um einen verschuldensabhängigen Anspruch. Das Gericht geht davon aus, dass das Fehlen der Rechtswidrigkeit der Übergriffe der Sicherheitsmitarbeiter für jeden Menschen erkennbar ist, zumal Institute wie Selbsthilfe und Notwehr auch juristischen Laien bestens bekannt sind. Auch der Beklagten muss klar sein, dass gegen eine Person, die auf ein abgesperrtes Baustellengelände eindringt, nachdem von ihrer Gruppe mit Gewalt ein von Polizisten und Sicherheitsmitarbeitern bewachter Bauzaun umgerissen worden war, mit Notwehr und Ausübung eines Selbsthilferechtes vorgegangen werden darf. Für die Beklagte muss auch erkennbar gewesen sein, dass die betroffenen Demonstranten durch die Handlungen der Sicherheitsmitarbeiter nicht verletzt wurden. Auch der Umstand, dass die anwesenden Polizisten ganz offensichtlich ausschließlich gegen die Demonstranten und nicht gegen die Sicherheitsmitarbeiter vorgingen, sollte ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass kein rechtswidriges Verhalten der Sicherheitsmitarbeiter vorlag. Hinzu kommt, dass die Beklagte ohne vertretbaren Grund Informationen, die sie als unbeteiligte Beobachterin in einer fremden Strafsache erlangt hatte, aufgriff und damit die klagende Partei bei einer Behörde anschwärzte. Gerade auf Grund des Umstandes, dass sie mit den Ereignissen vom 06.02.2017 nichts zu tun hatte, hätte von ihr verlangt werden können, dass sie die Tatsachen, aus denen sie ihre Vorwürfe ableitet, aus einer objektiven Beobachterposition besonders gut überprüft, bevor sie die klagende Partei gegenüber einer Behörde des Vorwurfs eines rechtswidrigen Handelns aussetzt.
Der Tatbestand der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen ist erfüllt, wenn die Tatsache an bloß eine vom Verletzten verschiedene Person mitgeteilt wird (vgl Kissich aaO Rz 27). Mit der Beschwerde an die Datenschutzkommission ist die erforderliche Publizität dahererreicht.
Die Beklagte ist auch nicht nach § 1330 Abs 2, 3. Satz ABGB gerechtfertigt. Zwar erfolgte ihre Tatsachenverbreitung im Rahmen der Ausübung eines Rechtes und einer Eingabe an eine Behörde. Die Haftung würde entfallen, wenn die Behauptung nicht öffentlich vorgebrachtwurde, die Beklagte, deren Unwahrheiten nicht kannte und an der Mitteilung ein berechtigtes Interesse hatte (vgl Kissich, aaO Rz 46). Nachdem die Beklagte sich an die Datenschutzbehörde wandte, um einen Vorfall vom 03.07.2017 überprüfen zu lassen, bei dem sie selbst gefilmt worden war, hatte sie zwar ein berechtigtes Interesse an der Eingabe an die Datenschutzbehörde. Dass sie in diesem Zusammenhang einen Vorwurf gegenüber der klagenden Partei erhob, wonach deren Mitarbeiter am 06.02.2017 Übergriffe gegenüber Demonstranten zur verantworten hätten, hat mit dem Vorwurf von Datenschutzverletzungen [8 von 9] am 03.07.2017 nichts zu tut. Es ist unlogisch und sinnlos, das Bedürfnis nach Aufklärung möglicher rechtswidriger Videoüberwachungen am 03.07.2017 mit dem Vorwurf zu verknüpfen, die Sicherheitsleute hätten Übergriffe zu verantworten. Abgesehen davon, dass die Datenschutzbehörde - auch für den Laien erkennbar - nicht die richtige Behörde ist, um derartige Übergriffe anzuzeigen, ergibt sich schon aus der Formulierung der Beschwerde, dass es der Beklagten im Zusammenhang mit der Darlegung der Übergriffe um eine reine Stimmungsmache gegen die Betreiber der Baustelle und die klagende Partei ging. Zunächst legt sie noch logisch dar, dass es seitens der Protestierenden keine Angriffe gab, die eine Videoüberwachung gerechtfertigt hätten. Plötzlich berichtet sie, dass sie in einer Verhandlung auf vorgeführtem Bildmaterial Übergriffe von Mitarbeitern des privaten Sicherheitsdienstes gesehen habe, weshalb gegebenenfalls nicht das gewaltfreie Publikum zu überwachen gewesen wäre, sondern die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Eine derartige Einschätzung ist in einer Beschwerde, die der Überprüfung einer bestimmten Rechtsverletzung dient, völlig fehl am Platz. Die Beklagte hatte daher kein berechtigtes Interesse an dieser Mitteilung.
Insgesamt ergibt sich daher, dass die Beklagte sowohl rechtswidrig, als auch schuldhaft handelte; die klagende Partei dringt daher auch mit dem Anspruch auf Widerruf der unwahren Tatsachenbehauptung durch. Auf Grund des Äquivalenzgrundsatzes muss der Widerruf in gleichwirksamer Form erfolgen, wie die Abgabe der schädigenden Äußerung (vgl Kissich, aaO Rz 84). Der Widerruf gegenüber der Datenschutzbehörde ist daher das adäquate Mittel.
Das Gericht konkretisierte den Spruch dahingehend, dass es klarstellte, dass der Widerruf gegenüber der Datenschutzbehörde schriftlich zu erfolgen hat, was auch dem Weg entspricht, auf dem die Äußerung gegenüber dieser Behörde getätigt wurde. Im Rahmen der Grenzen des § 405 ZPO gibt das Gericht daher dem Widerrufsbegehren eine klarere Formulierung und bleibt damit im Rahmen dessen, was die klagende Partei ganz offensichtlich, auch vor dem Hintergrund des Äquivalenzgrundsatzes mit ihrem Widerrufsbegehren erreichen möchte.
Die Kostenentscheidung ist eine Folge der Sachentscheidung und stützt sich auf § 41 ZPO. Die klagende Partei obsiegte vollständig und ihr sind sämtliche korrekt verzeichneten Kosten zu ersetzen.
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Abteilung 39
Graz, 31. August 2018
Mag. Ingrid Tscherner, Richterin
Elektronische Ausfertigung
gemäß § 79 GOG
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